Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 47.1901 (Nr. 562-574)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16557#0040
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

M e g g e n d o r f e r s I) u m o r i st i s ch e Blätter


„U)as ist denn los?"

„I>er Arieg . . ."

„Aha, der Arieg . . . ganz recht! Mit wen: denn?"

„Denken 5ie nur — unser Nachbarreich - wie die INen-
scbcn noch so weit in der Rultur zurück sein können! Dic
unruhigen Grenzbewohner pflegen, wie cs scheint, zu ihrenr
j?rinatoergnügen zuweilen Linsälle in unser Gebiet zu machen.
I>a ist es denn neulich zu bewaffneten Zusannnenstößen ge-
kommen. Ivir haben die Fordernng aus Schadenersatz gestellt.
ffm Prinzip sind unsere Nachbarn dazu auch bereit; aber sie
wollen die Lntschädigung nur zahlen sür dreihundert Aöpse,
sechshundertundein Zlrme und ebensoviel Beine, die sie uns
wieder zur Bersügung stellen. tvir aber verlangen die Lnt-
schädigung sür dreihundertundein Röpse und die entsprechende
Anzahl Arme und Bcine."

„L>a ist vielleicht jemand bei den Gesallenen gewesen, der
den Roxs schon vorher verloren hatte?"

„Das ift bei uns nicht möglich. lhier hat jeder aus seinen
Rops acht zu geben."

„Bielleicht stellen Sie ihin da noch den sehlenden Rops zur
Bersügung."

Die Leute wollen einmal nicht mehr zahlen. Rurz und gut,
der Rrieg ist beschloffene 5ache."

„5o versügen Sie ganz gewiß über ein schlagsertiges kseer?"

„Ganz und gar nicht. D)ir haben überhaupt kein lheer."

„Nanu?"

„Das ist doch selbstverständlich. N)enn die Nölker so weit
in der Rultur sortgeschritten sind, dann will überhaupt niemand
mehr Soldat sein."

„Ia, aber . . . wie können 5ie denn da einen Rrieg sühren
wollen?"

„Mein Gott . . . wir haben's ja doch dazu!"

„Geld? Nun, aber 5oldaten gehören doch auch dazu . . ."

„Na hören i5ie . . . Sie schcinen mir da hinten im alten
Europa noch weit zurück zu sein. D)ir vergeben unsere Rrieg-
sührung einsach im 5ubmissionswege."

Ich sprang aus.

„Im — Sub—miff—ions—wege?"

„Na ja! Ganz einsach. Mie wir srüher unsere Rasernen-
bauten, unsere lVaffen-, Nnisormen-, Ronserven-, Aommißbrot-
lieserungen im Submissionswege vergaben, so sind wir jetzt noch
einen Schritt weiter gegangen und vergeben die ganze Rriegs-
sührung gleich einem großartigen Nnternehmen an den, der bei
billigstcr Berechnung die solidesten Leistungen in Aussicht stellt."

Ich konnte mich immer noch nicht sassen.

„Arieg aus Submission! Rrieg aus Lubmisston!" murmelte
ich sortwährend vor mich hin. jäch glaubte, meine Denkmaschine
sei völlig aus dem Leim gegangen.

„5ehen 5ie," fuhr der ingeniöse Rriegsminister sort, „man
hat während der Friedenszeiten keine Ausgaben, das Nolk geht
seiner Beschästigung nach, man hat keinen Aerger, keine INühen,
man ist so srank und srei wie ein umziehender 5tudent, kümmert
sich um nichts . . . ."

„Aber Nerehrtester, der Rrieg ist doch nicht bloß ein Geschäst,
sondern eine Runst."

„Zweisellos, wie jedes Geschäft," sagte der Rriegsminister
seelenruhig.

„Und man braucht Strategen dazu, große Geister . . denken
Sie an chriedrich den Großen, Naxoleon, Moltke . . . ."

„j?ah .... große Geister gibt's genug, man muß sie nur

finden. Und man ffndet sie, wenn man mit einigen löänden
voll Gold die D?inkel ableuchtet. Aber das ist schließlich dic
Sache der entreprenierenden Firma. Gcwöhnlich wird eine
preiskonkurrenz sür Ausstellung des besten, am sichersten zum
Ziele sührenden Feldzugsplanes mit den geringsten Aosten aus-
geschrieben. lhöchstens daß unsere Regierung einen Delegierten
in der Prüfungskommission sür das Aonkurrenzausschreiben hat.
D? i e die Firma zum Ziele kommt, geht uns nichts an. N?ir geben
ihr die Ariegsührung in Submission. Sie hat dasür zu sorgen,
daß unseren Forderungen und Ansprüchen genügt wird — etwa,
wir verlangen zehn große siegreiche 5chlachten, zwanzig sieg-
reiche Gesechte, süns besriedigende Belagerungen und Bombar-
dements, zehntausend Gesangene und so weiter, geben der ^sirma
meinetwegen sechs Monate Ziel bis zur Lrledigung des Aus-
trages und zahlen nnser Geld — oder vielmehr, wir lassen es,
wie die Gerichtskosten bei einem j?rozesse, vom Gegner bezahlen.
D?as haben wir da auszustehen?"

„lVenn aber die chirma den Rrieg verliert?"

„Die Ronkurrenz ist auch bereits aus diesem Gebiete groß,
und die Firmen halten aus solide, znverlässige Arbeit. Nun,
und wenn sie j?ech hat, dann trägt sie die Rosten und hat
zudem an uns noch Ronventionalstrasen zu zahlen, ebenso sür
jeden Tag, den sich der Rrieg über die sestgesetzte christ in die
Länge zieht."

„Dngemein praktisch!" Ich konnte mich nicht enthalten,
dem Rriegsminister ohne Neer und Rrieg dieses Zugeständnis
zu machen.

„Dieser Entwicklungsgang ist durchaus naturgemäß," suhr
er sort. „Diese kostspieligen Geschütze, die surchtbaren Besestigungs-
werke, diese Rriegsschiffe, der ganze Drill . . . das ist alles nur
sür den einen chall eines Arieges, der vielleicht in einem ganzen
Dtenschenalter einmal eintritt. Das ist eine ungeheure Aosten-
und Dtaterialverschwendung. Die Firma dagegen hat ihr Dlaterial
sortmährend im Gebrauch — momentan sührt die chirma, die
uns zumeist bedient, den Arieg gegen den tibetanischen Groß-
mogul; im Vorjahre hatte sie den Arieg gegen Thipan und
weiter gegen Iana in General-Lntreprise. 5ehen :3ie — da
bleibt die Firma stetig im thandwerk, die xraktische Umsicht steigt
und das ganze Ariegsmaterial wird aus die denkbar mögliche
kVeise ausgenützt."

„Der Arieg in General-Tntreprise! Tmart!" murmelte ich.
j?lötzlich stel mein Aops aus den Tchreibtisch. Ich erwachte. Der
Ariegsminister war sort. Ich saß wieder im Redaktionszimmer
und starrte verwundert umher. Vor mir lag ein j?lakat. In
Riesenlettern stand dai „j?r eisgekrönte Unternehmer sür
Ariegsseuerwerk! Das Bombardement aus Taku!

Ausgesührt von der chirma so und so!"

Lollte das meine Phantasie insxiriert haben?

Besignaticm.

o schön bist Du. In Deinen Augen
Lieat Güte und Bescheidenheit,

Dich zu besitzen, wünscht' ich wieder
Zurück mir meine juigendzeit. —

Der Lserbst des Lebens senkt sich nieder,

Und morgen wird es kVinter sein. --
Behüt Dich Gott: der Schnee muß weichen
Vor Dir, Dn holder Sonnenschein! — — Sch-P

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In G e st e r r e i ch - U n g a r n sür bserausgabe und Redaktion verantwortlich : Robert Dk o h r in !Vien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Ctzlingen.
 
Annotationen