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Meier-Graefe, Julius
Manet und sein Kreis: mit 2 Photogravüren u. sieben Vollbildern in Tonätzung — Berlin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.25425#0015
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JULIUS MEIER-GRAEFE

Weise ausgebaut hatten. Nicht die Fragonards,
die Nattier, die Boucher hatten die Kraft, die
Kunst unserer Tage zu, befruchten. Sie standen
und fielen mit ihrer Zeit, deren Stil sie ent-
sprangen; Symptome einer höchst persönlichen
Epoche, aber selbst keine Persönlichkeiten.
Rubens, der über s'einer Zeit gewesen war, fand
in Delacroix, dem auch nicht die konventionelle
Floskel zur Bergung seines unbändigen Tempe-
ramentes zu genügen vermochte, einen würdigen
Nachkommen, der alles das weiter trug, was
das achtzehnte Jahrhundert nicht zu fassen ver-
mochte, und vor alleih selbst aus dem Eigenen
ein entscheidend Neues hinzufügte. Die Koloristik
der Fragonards hatte immer den gar zu flinken
Anstrich des Dekorateurs, nur der grosse Watteau
war differenzierteren Qualitäten nachgegangen.
Delacroix wurde der erste Techniker der Kon-
traste, der vollkommen bewusst den Wert der
Farbe durch den Gegensatz zu anderen erzielte,
dort tausend Töne bemerkte, wo man vor ihm
nur eine Farbe gesehen hatte und der sanfteu
Enthaltsamkeit der Stillleben-Koloristen die
vollen Accorde seiner unbeschränkten Palette
gegenüberstellte. Seine „Vertreibung Heliodors“
in der St. Sulpice von Paris, wie die meisten
grossen Bilder des Malers leider ungünstig plaz-
ciert, ist so ein Stück kostbarer Mosaik, das
deutlich schon die Bahn zeigt, die von der mo-
dernen Malerei beschriften werden sollte.
 
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