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Meier-Graefe, Julius
Manet und sein Kreis: mit 2 Photogravüren u. sieben Vollbildern in Tonätzung — Berlin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.25425#0014
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MANET UND SEIN KREIS

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stück im Freien“, bei Renoirs ersten Fleisch-
studien, bei Seurats „Grande Jatte“ nicht em-
pörter als da Delacroix’s „Gemetzel von Chios“
erschien. Die erste Biedermannskritik vom Malen
ohne Zeichnung1 wurde über die Dantebarke
geschrieben; die unerträglich oft wiederholte
Phrase vom unvollendeten Bild wurde schon
damals in den zwanziger Jahren mit vielstimmiger
Überzeugung ausgesprochen.

Er war in der That kein Zeichner, nicht nur
in dem Sinn des blöden Auges, das nichts von
zeichnerischer Diskretion versteht. Er wäre ver-
loren gewesen ohne Pinsel. Seine Eigenart ver-
siegte bis auf ein Minimum, sobald er den Blei-
stift in die Hand nahm; es ging ihm genau
entgegengesetzt wie seinem grossen Feinde In-
gres, der ein Genie wurde, sobald er zeichnete
und ebenso sehr im Umriss gross war wie jener
in der Fläche.

Malen konnte er. Seine Leidenschaft steckte
nicht in seinen dramatischen Stoffen, sondern
seinem Pinsel; er war echter Künstler, sein Hirn
konnte nicht mehr erfinden als der Hand ein-
fiel. Diesem auf das Mächtige gerichteten Geist,
der den Klassizismus fällte, konnte die dekorative
Tradition der Maler des 18. Jahrhunderts nicht
genügen. Er übersprang sie und griff auf Rubens
zurück, den jene Maler nicht weniger verehrt
hatten, — denn auch sie waren seine Enkel —
nur in ihrer rein koloristischen, stilisierenden
 
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