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DER ZEICHNER
Naturanschauung eine momentane Resonanz. So wirkte
der Auftrag Rugiers. Er brachte die Welt, in der
der junge Meister spielen konnte. Schon nach ein paar
Jahren hatte die Illustration für den Ruhelosen keine
Freuden mehr. Der Pflichtenmensch hatte sie erobert.
Das im Grunde Mechanische seiner Beziehungen
zum Dasein hinderte Menzel nicht, sich persönlich zu
äußern. Es gibt aus keiner Zeit Blätter, deren Be-
stimmung große Schwierigkeiten bereitet. Man erkennt
die Eigenart nicht etwa am Motiv, sondern an jedem
Strich des Meisters. Aber wenn die Kunstbetrachtung
nicht zu einem Sport herabsinken soll, sind wir genötigt,
die Symptome, die für das Persönliche zeugen, nicht
mit den Elementen des Schönen zu verwechseln. Das
schlechterdings Unterscheidende gibt Menzel noch nicht
den Vorrang vor anderen — so wenig dem gewöhn-
lichen Sterblichen aus dem Umstand, anders als die
anderen zu sein, bleibender Ruhm erwächst. Die allzu-
leichte Erfüllbarkeit sollte gegen die heutzutage all-
mächtige Persönlichkeitstheorie, die sich nicht die Zeit
zur Differenzierung nimmt, mißtrauisch stimmen. Man
treibt langsam zu der Annahme eines abstrakten Persön-
lichkeitsbegriffes, der nicht mehr der Taten des Men-
schen bedarf, um zum Helden zu proklamieren, und
bildet sich ein, man käme zur Kunst durch eine Art
immakulater Empfängnis. Menzel ist einer der son-
derbarsten Menschen, die je den Pinsel und den Griffel
geführt haben, merkwürdig durch sein abnormes, wider-
spruchsvolles Verhalten zu seiner Kunst, deshalb aber
noch nicht bedeutend als Künstler. Kann man ihn
seiner ganzen Art wegen persönlich nennen, ja mit
Recht vermuten, daß er einer der persönlichsten Deut-
schen des 19. Jahrhunderts war, weil seine Eigenschaften
ein seltenes Zusammenspiel auffallender Züge verraten,
so sagt das noch nicht, ob seine Sonderart dem Kult
DER ZEICHNER
Naturanschauung eine momentane Resonanz. So wirkte
der Auftrag Rugiers. Er brachte die Welt, in der
der junge Meister spielen konnte. Schon nach ein paar
Jahren hatte die Illustration für den Ruhelosen keine
Freuden mehr. Der Pflichtenmensch hatte sie erobert.
Das im Grunde Mechanische seiner Beziehungen
zum Dasein hinderte Menzel nicht, sich persönlich zu
äußern. Es gibt aus keiner Zeit Blätter, deren Be-
stimmung große Schwierigkeiten bereitet. Man erkennt
die Eigenart nicht etwa am Motiv, sondern an jedem
Strich des Meisters. Aber wenn die Kunstbetrachtung
nicht zu einem Sport herabsinken soll, sind wir genötigt,
die Symptome, die für das Persönliche zeugen, nicht
mit den Elementen des Schönen zu verwechseln. Das
schlechterdings Unterscheidende gibt Menzel noch nicht
den Vorrang vor anderen — so wenig dem gewöhn-
lichen Sterblichen aus dem Umstand, anders als die
anderen zu sein, bleibender Ruhm erwächst. Die allzu-
leichte Erfüllbarkeit sollte gegen die heutzutage all-
mächtige Persönlichkeitstheorie, die sich nicht die Zeit
zur Differenzierung nimmt, mißtrauisch stimmen. Man
treibt langsam zu der Annahme eines abstrakten Persön-
lichkeitsbegriffes, der nicht mehr der Taten des Men-
schen bedarf, um zum Helden zu proklamieren, und
bildet sich ein, man käme zur Kunst durch eine Art
immakulater Empfängnis. Menzel ist einer der son-
derbarsten Menschen, die je den Pinsel und den Griffel
geführt haben, merkwürdig durch sein abnormes, wider-
spruchsvolles Verhalten zu seiner Kunst, deshalb aber
noch nicht bedeutend als Künstler. Kann man ihn
seiner ganzen Art wegen persönlich nennen, ja mit
Recht vermuten, daß er einer der persönlichsten Deut-
schen des 19. Jahrhunderts war, weil seine Eigenschaften
ein seltenes Zusammenspiel auffallender Züge verraten,
so sagt das noch nicht, ob seine Sonderart dem Kult