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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0087
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DIE SPIELART

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des Schönen galt und ob sich seine Merkwürdigkeit in
reale Werte umsetzte. Und stellt man so die Frage,
so kommt man dahin, das Anormale in Menzel, oder
besser, was der Laie als Anomalie bewundert, von der
Wertung auszuschließen. Eins steht fest, daß Menzel
nie daran dachte, sich interessanter zu machen, als er
war. Er hat vielmehr seine bedeutendsten Seiten ge-
flissentlich verschwiegen. Wenn ihn jemand gebeten hätte,
seine besten Zeichnungen zu nennen, so wäre er nie auf
den Gedanken gekommen, die zu wählen, die hier aus
der Masse herausgegriffen wurden, sondern hätte auf ein
paar möglichst verzwickte Überschneidungen oder eine
minutiös gezeichnete Hand oder einen seiner geliebten
Judenköpfe gewiesen. Ihm stand natürlicherweise seine
Spätzeit am höchsten, als sich seine Mache immer mehr
ausdehnte, aber nicht breiter, sondern fetter wurde; als
der kohligen Fläche gelang, die Elastizität des Striches zu
verdrängen und der Naturalismus den zarten Formen-
instinkt überwucherte. Auch die Zeichnungen aus dieser
Periode sind immer noch persönlich, aber nicht infolge
des Werdegangs Menzels, sondern trotzdem. Er war
als Zeichner nie imstande, seine immense Begabung
zu verstecken. Der Bleistift überlistete seine Strenge
und vollbrachte noch ein leises Spiel, als Menzel
längst aufgehört hatte, sich in Momenten stiller Einkehr,
fern vom Einerlei des aufsaugenden Daseins, den Lockungen
der Jugend hinzugeben. Er hatte in der größeren
Hälfte seines Lebens keine verlorenen Stunden mehr.
Was die Masse der Zeichnungen mit den Selten-
heiten gemein hat, ist eine Eigenschaft, die Menzel
zum Maler stempelt, selbst wenn ein Zufall ihn ver-
hindert hätte, sich auf der Leinwand zu versuchen.
Und namentlich diese Eigenschaft weist dem Meister
die Stelle unter den Modernen an und unterscheidet
ihn am gründlichsten von seiner Generation. Nur ist
 
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