DIE SPIELART
79
letzter Biograph berichtet, ,,Exerzieren".*) Man er-
schrickt unwillkürlich über den treffenden Sinn dieses
Scherzwortes. Nach Schulung haben alle großen
Künstler gestrebt, aber der Begriff der Schulung dreht
das Wohltätige der Gymnastik um, wenn er sich auf das
Exerzieren Menzels beschränkt. Der Soldat übt das
Reglement zum Kriege, auch wenn er nicht ins Feld
geführt wird. Nur dem Schutz der Allgemeinheit opfert
er das Stück seiner selbst, das im Kommiß unter den
Tisch fällt. Mit dem Künstler verglichen, der über
dem Exerzieren das Schlagen vergißt, erscheint uns die
Unökonomie des Soldatenstandes unserer Zeit eine Ba-
gatelle. Wirklich erfüllte Menzel seinen göttlichen Beruf
wie ein standhafter Soldat, der zu jeder Stunde des
höheren Befehls gewärtig sein muß und sich nicht mehr
selbst gehört. Er trug schwer daran, wenn wirklich die
Menge der Exerzitien einen Rückschluß auf die An-
strengung gestattet; leicht, weil er der Plage gewohnt
wurde und den Dienst lieb gewann. Er schaffte, wie
Chodowiecki einmal nicht ohne Bitterkeit von sich selbst
sagte, ,,wie ein Galeerensklave, aber wie ein solcher,
der sein Ruder mit Lust bewegt". Das einzige, was bei
dem des Zwecks verlustig gehenden Reglement zu kurz
kam, war das Genie. Menzels Siege standen nicht darin,
sondern kamen im Gegensatz zu dem Geiste seiner
Übungen zustande. Wie viel Schlachten der Instruk-
tion zuliebe ungeschlagen blieben, ist unberechenbar.
Als typisch für den bleibenden Menzel wird man
die Masse seiner Zeichnungen, so begeistert sich auch
die gedankenlose Kunstbetrachtung unserer Tage dar-
über ausspricht, nicht nehmen können. Der Haufen
verdeckt nur die zarten, vornehmen Dinge, und man
muß fürchten, daß er unsere Nachkommen abhalten wird,
ü Max Jordan, Das Werk Adolf Menzels (Verlagsanstalt Bruck-
mann, München i$0$). Läßt den Wert des Meisters unberücksichtigt.
79
letzter Biograph berichtet, ,,Exerzieren".*) Man er-
schrickt unwillkürlich über den treffenden Sinn dieses
Scherzwortes. Nach Schulung haben alle großen
Künstler gestrebt, aber der Begriff der Schulung dreht
das Wohltätige der Gymnastik um, wenn er sich auf das
Exerzieren Menzels beschränkt. Der Soldat übt das
Reglement zum Kriege, auch wenn er nicht ins Feld
geführt wird. Nur dem Schutz der Allgemeinheit opfert
er das Stück seiner selbst, das im Kommiß unter den
Tisch fällt. Mit dem Künstler verglichen, der über
dem Exerzieren das Schlagen vergißt, erscheint uns die
Unökonomie des Soldatenstandes unserer Zeit eine Ba-
gatelle. Wirklich erfüllte Menzel seinen göttlichen Beruf
wie ein standhafter Soldat, der zu jeder Stunde des
höheren Befehls gewärtig sein muß und sich nicht mehr
selbst gehört. Er trug schwer daran, wenn wirklich die
Menge der Exerzitien einen Rückschluß auf die An-
strengung gestattet; leicht, weil er der Plage gewohnt
wurde und den Dienst lieb gewann. Er schaffte, wie
Chodowiecki einmal nicht ohne Bitterkeit von sich selbst
sagte, ,,wie ein Galeerensklave, aber wie ein solcher,
der sein Ruder mit Lust bewegt". Das einzige, was bei
dem des Zwecks verlustig gehenden Reglement zu kurz
kam, war das Genie. Menzels Siege standen nicht darin,
sondern kamen im Gegensatz zu dem Geiste seiner
Übungen zustande. Wie viel Schlachten der Instruk-
tion zuliebe ungeschlagen blieben, ist unberechenbar.
Als typisch für den bleibenden Menzel wird man
die Masse seiner Zeichnungen, so begeistert sich auch
die gedankenlose Kunstbetrachtung unserer Tage dar-
über ausspricht, nicht nehmen können. Der Haufen
verdeckt nur die zarten, vornehmen Dinge, und man
muß fürchten, daß er unsere Nachkommen abhalten wird,
ü Max Jordan, Das Werk Adolf Menzels (Verlagsanstalt Bruck-
mann, München i$0$). Läßt den Wert des Meisters unberücksichtigt.