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Meier-Graefe, Julius; Menzel, Adolph von [Ill.]
Der junge Menzel: ein Problem der Kunstökonomie Deutschlands — Leipzig, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.25426#0225
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MASSEN-SCHILDERUNG

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souper" und die vorhergehende ,,Abreise des Königs"
auf dem Interesse am Gegenstände. Der Betrachter,
der nie in einem Eisenwerk war, sagt sich, so muß es
sein, und der Kundige bestätigt, es sei so echt, wie er es
selbst gesehen habe. Ingenieure haben behauptet, jede
Schraube, jeder Hebel sitze an der richtigen Stelle und
die Arbeiter seien mit absoluter Genauigkeit beobachtet.
Jordans Beschreibung des Bildes liest sich wie ein Abriß
des Konversationslexikons über die Herstellung von Eisen-
bahnschienen. Andere Biographen feiern in dem Werke
die Erschließung eines neuen Gebietes für die Malerei.
Danach kann man sich wundern, daß findige Maler nicht
weiter gegangen sind und der Entdeckung nicht noch
viele andere aus dem Hüttenwesen hinzugefügt haben.
Aber vollbrachte Menzel hier wirklich eine Entdeckung ?
Man rühmt mit Recht an Millet, daß er den Bauer,
an Meunier, daß er den Arbeiter in der Kunst gefunden
habe. Degas wird als Schöpfer der Ballettänzerin und
Lautrec als Maler der Cocotte gepriesen. Wirklich ent-
deckten diese Künstler ein Novum, aber doch nicht etwa,
indem sie die Existenz des Bauern, des Arbeiters, der
Ballettänzerin nachwiesen; denn dafür bedurfte es nicht
ihrer Anstrengung; sondern indem sie ihre neuen Ge-
stalten zu Trägern neuer Formen machten. Daß wir
das Neue Bauer, Arbeiter, Ballettänzerin nennen, ist
eine Konvenienz leicht durchsichtiger Art. Aus den zu
Typen erhobenen Gestalten werden in Wirklichkeit neue
Wesen, die nur in der Kunst Bestand haben, neue
Zeichen für die Sprache des Schönen. Diese Zeichen-
sprache wird im ,,Walzwerk" Adenzels vermißt; oder sie
ist viel zu schwach im Vergleich zu dem materiell Ge-
botenen. Die Organisation des Bildes macht aus den
Gesten der Arbeiter, aus den Maschinen und dem Glühen
des Eisens nicht die Atmosphäre des Kunstwerks, in der
alle diese Dinge noch viel stärker zur Geltung kämen,
 
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