wo Lebewesen aus Verhältnissen von Flächen und Farben hervor-
gehen, die keine physiologische Prüfung provozieren. Sein
Nachfolger, Velasquez, der das Bild in seine Art übertrug, ließ
das beste daran unberührt. Bodenhausen hat den Mangel vor-
trefflich gedeutet.*) Seitdem war Greco vergessen. Die Zeit
sättigte sich an materielleren Genüssen. Die Heiligen verschwanden,
als man gerade gelernt hatte, ihr überirdisches Konterfei zu malen.
Die Künstler stürzten sich auf die Natur. Und dreihundert Jahre
später, im Zeitalter des wüstesten Materialismus, kommt der
kältesten Naturalisten einer auf dieselbe Spur und malt badende
Weiber, Äpfel und Töpfe, Landschaften mit Sonnenschein und
Regen wie Greco seine Verzückten.
Es hat offenbar so kommen müssen. Es kam anders, wenn
Velasquez Grecos Tiefen verstand. Vielleicht wären uns nie wieder
überirdische Dinge genaht, wenn sich nicht bis kurz vor Cezanne
die meisten der Besten mit dem Irdischen geplagt hätten, wenn
nicht durch eine unerbittliche Stählung des Bewußtseins die Mystik
Cezannes ganz von der Unklarheit, die einst die Mystiker durch-
drang, gereinigt worden wäre.
Man erschöpft solche Entwicklungen nicht mit der Technik.
Was in Cezanne den Spanier übertrifft, ist nicht allein die Farbe;
was ihm unterliegt, nicht lediglich die Unbeholfenheit des Auto-
didakten. Durch verschiedene Gestaltungen führt der Weg zu ihrer
Ähnlichkeit. Greco überwindet den Gegenstand, selbst wo es
sich um die Krönung Mariä handelt, aber behält eine schematische
Gruppierung, die dadurch, daß sie die konventionelle Anordnung
in die Länge zieht und alle Volumen entsprechend schmälert, zum
Stil wird. So verfährt er mit dem Ganzen der Komposition und
sogar mit Einzelfiguren. Alle Bildnisse zeigen dasselbe Schema.
Auf diesen Stil verzichtet Cezanne. So scheint es wenigstens und
deshalb erscheint er jünger und freier, uns näher. Aber ist wirklich
diese ohne weiteres erkenntliche Deformation der Stil Grecos? Ist
es nicht etwa nur wiederum, wie Cezannes schlechte Perspektive,
eine Notbrücke unserer Einsicht, in Wirklichkeit Nebenerscheinung
und Folge viel versteckterer Gründe? Gibt wirklich das Längliche
*) In seiner Einleitung- zu dem Velasquez Stevensons (München, V.-A. Bruck-
mann, 1904). Miquel Utrillo ist unabhängig davon zur selben Beobachtung ge-
langt (L’Art ct les Artistes I No. 6. September 1905).
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gehen, die keine physiologische Prüfung provozieren. Sein
Nachfolger, Velasquez, der das Bild in seine Art übertrug, ließ
das beste daran unberührt. Bodenhausen hat den Mangel vor-
trefflich gedeutet.*) Seitdem war Greco vergessen. Die Zeit
sättigte sich an materielleren Genüssen. Die Heiligen verschwanden,
als man gerade gelernt hatte, ihr überirdisches Konterfei zu malen.
Die Künstler stürzten sich auf die Natur. Und dreihundert Jahre
später, im Zeitalter des wüstesten Materialismus, kommt der
kältesten Naturalisten einer auf dieselbe Spur und malt badende
Weiber, Äpfel und Töpfe, Landschaften mit Sonnenschein und
Regen wie Greco seine Verzückten.
Es hat offenbar so kommen müssen. Es kam anders, wenn
Velasquez Grecos Tiefen verstand. Vielleicht wären uns nie wieder
überirdische Dinge genaht, wenn sich nicht bis kurz vor Cezanne
die meisten der Besten mit dem Irdischen geplagt hätten, wenn
nicht durch eine unerbittliche Stählung des Bewußtseins die Mystik
Cezannes ganz von der Unklarheit, die einst die Mystiker durch-
drang, gereinigt worden wäre.
Man erschöpft solche Entwicklungen nicht mit der Technik.
Was in Cezanne den Spanier übertrifft, ist nicht allein die Farbe;
was ihm unterliegt, nicht lediglich die Unbeholfenheit des Auto-
didakten. Durch verschiedene Gestaltungen führt der Weg zu ihrer
Ähnlichkeit. Greco überwindet den Gegenstand, selbst wo es
sich um die Krönung Mariä handelt, aber behält eine schematische
Gruppierung, die dadurch, daß sie die konventionelle Anordnung
in die Länge zieht und alle Volumen entsprechend schmälert, zum
Stil wird. So verfährt er mit dem Ganzen der Komposition und
sogar mit Einzelfiguren. Alle Bildnisse zeigen dasselbe Schema.
Auf diesen Stil verzichtet Cezanne. So scheint es wenigstens und
deshalb erscheint er jünger und freier, uns näher. Aber ist wirklich
diese ohne weiteres erkenntliche Deformation der Stil Grecos? Ist
es nicht etwa nur wiederum, wie Cezannes schlechte Perspektive,
eine Notbrücke unserer Einsicht, in Wirklichkeit Nebenerscheinung
und Folge viel versteckterer Gründe? Gibt wirklich das Längliche
*) In seiner Einleitung- zu dem Velasquez Stevensons (München, V.-A. Bruck-
mann, 1904). Miquel Utrillo ist unabhängig davon zur selben Beobachtung ge-
langt (L’Art ct les Artistes I No. 6. September 1905).
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