Und dieser Dekorateur malt Heiligenbilder, deren Mystik uns er-
greift wie die Inbrunst der Heiligen Grecos und häuft die Summe
seiner Prachtgelüste in eine zierliche Ritterlegende, die eine Fläche
von wenigen Zentimetern einnimmt. Zu solchen Umfang des Aus-
drucks bedurfte er einer Form, die alles umfaßte, was zwischen einer
Freske Raffaels und dem 19. Jahrhundert liegt — ein Unikum
in der Geschichte der Kunst. Delacroix hat mit Goethischer Weis-
heit alles getan, um das Anormale seiner Erscheinung zu mildern
und seiner Wirkung den Fluch vieler Großen fernzuhalten, die,
nach dem Worte von Marees, mit ihren Werken die Straße für die
Nachfolger versperrt haben. Aber nichtsdestoweniger konnte
nur er, dank seiner höchst besonderen Eigenschaften, zu denen
auch seine paganinihafte Geschicklichkeit gehörte, der von ihm
aufgestellten Norm genügen. Sein komplizierter Apparat ver-
langte außer kühner Kaltblütigkeit eine einzigartige Beweglichkeit
des Geistes und der Hand, ein Temperament, das kaum vor Dela-
croix, sicher nie seitdem wieder zur Welt gekommen ist. Seine
ganze Kunst ist, noch mehr wie die eines Rubens, auf Bewegung
gerichtet; eine Bewegung, die von der leisesten Regung bis zum
gewaltigsten Sturm geht, und wir bewundern, daß sie selbst im
flammendsten Wirbel nie das Gleichgewicht der Massen verliert,
daß die von allen Seiten in wilder Willkür züngelnden Farben
stets die Harmonie ergeben.
Schon die Verschiedenheit der Temperamente bestimmt Renoirs
Stellung sowohl zu Rubens wie zu Delacroix. Wir sehen ihn nie
in Bewegung. Damit soll nicht geleugnet werden, daß er zuweilen
Bewegungsmotive gemalt hat. Aber auch in solchen Fällen fühlt
man die Gelassenheit eines einem Corot verwandten Temperamentes,
das mit der Bewegung seine Idylle belebt. Nie nähern wir uns
auch nur von weitem der heroischen Sphäre, in der Rubens und
Delacroix gebieten.
Dieser nicht zu übersehende Unterschied zwischen den Welten
der Bilder mag schon allein Renoirs Vereinfachung legitimieren.
Sie tritt stärker hervor, wenn wir ihn mit Delacroix, weniger, wenn
wir ihn mit Rubens vergleichen. Renoir scheint der verhältnismäßig
einfacheren Koloristik des Rubens näher, schon weil er seine lichte
Palette nur wenig verändert. Er bringt zu Rubens etwas von
Delacroix mit: ein außerordentlich farbenempfindliches Auge.
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greift wie die Inbrunst der Heiligen Grecos und häuft die Summe
seiner Prachtgelüste in eine zierliche Ritterlegende, die eine Fläche
von wenigen Zentimetern einnimmt. Zu solchen Umfang des Aus-
drucks bedurfte er einer Form, die alles umfaßte, was zwischen einer
Freske Raffaels und dem 19. Jahrhundert liegt — ein Unikum
in der Geschichte der Kunst. Delacroix hat mit Goethischer Weis-
heit alles getan, um das Anormale seiner Erscheinung zu mildern
und seiner Wirkung den Fluch vieler Großen fernzuhalten, die,
nach dem Worte von Marees, mit ihren Werken die Straße für die
Nachfolger versperrt haben. Aber nichtsdestoweniger konnte
nur er, dank seiner höchst besonderen Eigenschaften, zu denen
auch seine paganinihafte Geschicklichkeit gehörte, der von ihm
aufgestellten Norm genügen. Sein komplizierter Apparat ver-
langte außer kühner Kaltblütigkeit eine einzigartige Beweglichkeit
des Geistes und der Hand, ein Temperament, das kaum vor Dela-
croix, sicher nie seitdem wieder zur Welt gekommen ist. Seine
ganze Kunst ist, noch mehr wie die eines Rubens, auf Bewegung
gerichtet; eine Bewegung, die von der leisesten Regung bis zum
gewaltigsten Sturm geht, und wir bewundern, daß sie selbst im
flammendsten Wirbel nie das Gleichgewicht der Massen verliert,
daß die von allen Seiten in wilder Willkür züngelnden Farben
stets die Harmonie ergeben.
Schon die Verschiedenheit der Temperamente bestimmt Renoirs
Stellung sowohl zu Rubens wie zu Delacroix. Wir sehen ihn nie
in Bewegung. Damit soll nicht geleugnet werden, daß er zuweilen
Bewegungsmotive gemalt hat. Aber auch in solchen Fällen fühlt
man die Gelassenheit eines einem Corot verwandten Temperamentes,
das mit der Bewegung seine Idylle belebt. Nie nähern wir uns
auch nur von weitem der heroischen Sphäre, in der Rubens und
Delacroix gebieten.
Dieser nicht zu übersehende Unterschied zwischen den Welten
der Bilder mag schon allein Renoirs Vereinfachung legitimieren.
Sie tritt stärker hervor, wenn wir ihn mit Delacroix, weniger, wenn
wir ihn mit Rubens vergleichen. Renoir scheint der verhältnismäßig
einfacheren Koloristik des Rubens näher, schon weil er seine lichte
Palette nur wenig verändert. Er bringt zu Rubens etwas von
Delacroix mit: ein außerordentlich farbenempfindliches Auge.
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