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Meier-Graefe, Julius; Gogh, Vincent ¬van¬ [Hrsg.]; Meier-Graefe, Julius [Bearb.]
Vincent (Band 1) — München, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.29620#0181
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ihnen die Backen. Es war zufällig ganz leer. So früh kam niemand, und
die Mädchen freuten sich. Fou-roux und Montezuma! Vincent lachte.

Es war zu schön, daß es solche warme Häuser gab. Man war wie in einem
Bade. Nirgends träumte es sich so gut wie bei den guten Mädchen. Die
Brünette aus Avignon wollte ein Hundert-Sous-Stück haben. Da er zu-
fällig keins in der Tasche hatte, versprach er, ihr Porträt zu malen, und
diesmal eins, auf dem sie ganz gewiß nicht wie ein Camembert aussehen
sollte, sondern wie eine Rose La France oder wie eine Feuer-Lilie.
Gauguin hatte wie gewöhnlich den ganzen Schwarm um sich. Er war
der schönste und stärkste Mann in Arles. Jeder hätte ihn zum Amant de
cceur gemacht. Montezuma brachte Glück, mit Montezuma gab es im-
mer zu lachen. Er behandelte sie wie ein Fürst, in dessen Lande noch
derbe Bräuche herrschen, aber mit Grandezza. Montezuma hatte in den Bor-
dells von Rio de Janeiro gewirkt. Montezuma war ein Bijou. Kinderchen,
da muß man aufpassen!—Während er erzählte warf er die wilde Nanette
durch den ganzen Salon über den Tisch hinüber auf das rote Sofa unter
dem Spiegel, daß sie wie ein Knäuel in der Ecke lag, und er sprach, ohne
hinzusehen, ruhig weiter. Er konnte auch den Trick mit dem Kronleuch-
ter. Wenn man es sich recht überlegte, war so ein Lokal komfortabler
als das gelbe Haus, und es war nicht einzusehen, warum man hier nicht
Weihnachten feiern sollte. — Die Brünette sagte zu Vincent, wenn er ihr
nicht das Hundert-Sous-Stück schenken könne, möge er ihr wenigstens
eines seiner großen Ohren zu Sylvester verehren. Darüber gab es großes
Hailoh, und die Brünette aus Avignon hüpfte Vincent auf den Schoß und
hing sich an seine mächtigen Löffel. Vincent rollte mit ihr auf den Tep-
pich, schüttelte den Kopf wie ein Bär, den die Hunde packen, und mach-
te Romrom. Die Madame Chose kam dazu und hielt sich den Wanst.

Sie gingen lachend nach Hause. Vincent konnte nicht schlafen, stand mit-
ten in der Nacht auf und tappte in Gauguins Zimmer. Die Laterne drau-

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