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feit dem fiebzehntenjahrhundert ein bürgerliches Gruppenbild wieder, den bellen Gemälden folcher
Art von Hals und Rembrandt ebenbürtig und gleich reich an volkspfychologifchen Momenten,
deren Gefamtheit den Eindruck einer mehr als perfönlichen Ausfprache hervorruft. Zweitens
fleht hier eine den größten Malern der Vergangenheit ebenbürtige Kunft wieder auf, mit allen
Reizen der Altmeiflerlichkeit und doch durch den gebieterifchenErnft des Ganzen dem Liebhaber-
haften weit entrückt. Es gab fchon zu Zeiten des „Enterrement“ modernere Bilder, will fagen
Werke, die die Eigentümlichkeiten der Impreflioniften deutlicher vorausfagen, und Courbet felbft
hat bald nachher deren eine fchöne Anzahl gemacht, die viel größeren Einfluß ausübten. Es gibt
höhere perfönlicheWerte in der neuen Kunft. Es gibt im ganzen Jahrhundert kein Repräfentations-
bild, das mit gleicher Macht den Belitz der alten Kunflmittel verrät und durch die Gefchloflenheit
diefes Befitzes, durch das höchft Individuelle der Handhabung überlieferter Werte ebenfo selb-
fländig wirkt. Gericaults „Medufenfloß“und das „Mallacre von Chios“ find feine Vorgänger; nicht
Verwandte, fondern Partner. Nachher kommt im ganzen Jahrhundert allenfalls nur noch Manet
als Schöpfer von Repräfentationsbildern in Frage. In diefer nicht gewöhnlichen Reihe nimmt
das „Enterrement“ den höchflen Rang ein. Es fehlt ihm der befondere Reiz der Gericault und
Delacroix, fchon weil ihm jede Beziehung zum klaflifchen Element der Franzofen abgeht, und es
mangelt der befonderen Schönheit der Nachfolger, weil ihm die moderne Koloriftik verfchloflen
ifl. Aber während diefe Reize nur mit einem Verlufl gewonnen werden, der, mag er uns auch
noch fo unwefentlich erfcheinen, den Bildern im Vergleich zu den Alten einen Hauch von De-
kadenz, nennen wir es Improvifation, gibt, fleht das „Begräbnis“ wie eine vollkommene Archi-
tektur vor uns.
Es bleibt ein unergründliches Rätfel, daß gerade Courbet, der „Idiot“, diefen Bau vollbrachte; daß
dem Bauer, dem Peintre-Bete mit diefer gefchloflenenVifion eine Repräfentation edelfter Werte
der alten Malerei gelang. Und man wird fleh wohl entfchließen müßen, diefe Epitheta nicht zu
eng zu nehmen.
Was mit Courbet vorgegangen war, als er an das Riefenwerk heranging, können wir in Erman-
gelung jeder eingehenden Biographie nur erraten. Er war vorher, wie wir fahen, in den Bahnen
van Dycks. Die fieben Bilder des Salons von 1849, unter denen das „Apres-Diner ä Omans“
mit drei lebensgroßen Figuren hervorragt, gehören immer noch zur erften Zeit, wenn fich auch
fchon in ihnen die Folge vorbereitet. Das „Begräbnis“, das mit nicht weniger als acht anderen Ge-
mälden im Salon von 1850 erfchien, fleht ganz auf der entgegengefetzten Seite. Es hat fall nichts
von dem Rubenskreife, fafl alles von den Spaniern und Franz Hals. Die Spanier, von denen er ftets
begeiflert fprach10, müllen ihm wie eine plötzliche Offenbarung erfchienen fein; und zwar nicht
nur Velasquez, fall noch eindringlicher der lange unterfchätzte Zurbaran. In derLandfchaft, zumal
in dem eingehüllten Gehöft der linken Seite ift derVelasquez der Reitfchulen, der Saujagd und
ähnlicher Werke nur verftärkt übertragen. In den Figuren mifcht fich das fpanifche und nordifche
Element, und zwar rückt an die Stelle des fpanifchen Tonmalers der fpanifche Kolorift. Man füllte
meinen, Courbet habe Zurbarans vier Darfleilungen aus dem Leben des hl. Bonaventura gefehen,
die bis in die fünfziger Jahre bei Soult in Paris zufammen waren, und von denen jetzt zwei im
Louvre, je eins in der Dresdner und der Berliner Galerie hängen. Auch die einflige Sammlung
Louis Philippes im Louvre befaß damals noch den Meiller, nämlich die beiden Londoner Bilder.

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