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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0290
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BENIHASAN

war auch einer. Ich stritt mit ihm wie ein Wilder und
redete das Blaue vom Himmel, ohne mir zu verhehlen, daß
alles, was ich vorbrachte, auch einen weniger verbohrten
Menschen nie im Leben zu überzeugen vermocht hätte.
Meist warf ich nur mit Interjektionen herum, und das
Argument blieb mir im Halse stecken. Er dagegen gab
seinen Unsinn in bester Prosa von sich, saß ruhig da und
wartete auf meinen Zusammenbruch. Damals konnte ich
ihm kein eindeutiges Beispiel der Architektur nennen und
wies auf die Plastik, die ohne Baumgefühl nie möglich ge-
wesen wäre. Er wollte diese Übertragung nicht gelten las-
sen, konnte sich überdies zu seinem Bedauern meiner
Schätzung der Plastik nicht anschließen, da er in ihr nur
eine Kette von Wiederholungen sah, die den Mechanismus
bestätigte. Mechanismus hieß seine Theorie. Deutsche
Ideologie kann Berge verrücken. Er profitierte von mei-
ner geringen Lokalkenntnis und fühlte sich nicht ge-
drängt, die seine über die doppelten Kreuze im Baedeker
hinaus zu vergrößern.

Diese verfluchten Kreuze! Natürlich ist im Karnak oder
im Ramasseum oder in den Königsgräbern oder in Edfu
so wenig für die Architektur der Alten zu holen wie in den
Tutchensälen im Museum von Kairo für ihre Plastik.

Im Grunde aber geht es bei solchen Theoriefritzen gar
nicht um Ägypten, sondern nur um ein Darmgeschwür
oder einen Karbunkel am Halse oder um die Frau des
Bürgermeisters, die sie einmal beleidigt hat.

Auf dem Rückweg überfiel uns der Wind, und der Nil
hatte richtige Wellen. Wir konnten nicht ans über-
schwemmte Ufer heran und mußten uns tragen lassen. Ba-
buschka ritt auf dem Rücken eines Beduinen und wippte
bedenklich. Der Wind schnitt schnurrige Wellenlinien in
den Sand.

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