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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0289
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SCHINKEL

Deutschen, an den Meister zu denken, der nach nicht aus-
zurechnenden Jahrtausenden in Berlin eine ähnliche Bür-
gerlichkeit baute, und die Kammermusik im Innern der
Gräber bestätigt den Vergleich. Die Welt ist klein. Die Jahr-
tausende mit ihren Beligionen und Bassen, ihren Königen
und Kriegen haben nichts zu bedeuten neben der Form. In
der Form bewährt sich ein Prinzip von der Erhaltung der
Kraft, das den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele
erreichbar zu machen vermöchte.

Die Lage der gleich disponierten Gräber nebeneinander
bildet eine kleine vornehme Straße, die von dem Terrain
ungemein begünstigt wird. Der Höhenzug, viel niedriger
als in Theben und nicht so üppig bewegt, bildet eine natür-
liche Felsenterrasse, die aus dem Massiv etwas vorspringt
und der die Eingänge natürliche und durchaus architek-
tonische Öffnungen verschaffen. Hier war es möglich, mit
Menschenhand der Natur nahezukommen und sie wür-
digen Zwecken dienstbar zu machen. Wieder eine Etappe
auf dem Wege nach Abu Simbel, und diese wird von kei-
nem Schatten getrübt.

Schon die Bestimmung dieser zufällig übriggebliebenen
Provinzgräber verbietet, sie für Gipfel der Architektur des
Mittleren Beichs zu halten. Nur der Stil der Epoche, ihre
in jedem Bau anschauliche Gesittung, geht aus ihnen her-
vor. An diesem Stil gemessen, sind alle die berühmten
Königsgräber von Theben geputzte Ausstellungsobjekte
für Fremde, exotischer Kram.

Neulich vor unserer Fahrt nach Nubien wollte mir ein
Ethnologe einreden, die Ägypter hätten kein Baumgefühl
besessen. Wilbrandt hieß er, nicht dumm, mit einer bor-
nierten Theorie und geölter Dialektik; wollte die Impotenz
der Ägypter auf Grund ihrer Tiergötterei, ihrer Hierogly-
phen, ihrer Geographie und wer weiß was sonst noch
beweisen und fuhr mit dieser Impotenz im Lande herum.
Überall suchte er sich seine Belege. Die Baumlosigkeit

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