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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0057
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Vorschriften der Hygiene widerspricht und eines
Offiziers nicht wtirdig erachtet werden kann.<(

„So so!'' sagte ich und fing an zu lachen. ,,Das
mag wohl sein, aber ich finde es hier prachtvoll.“
,,Der Herr ist ja Deutscher,“ sagte einer der
anderen. Ein Bauch mit blondem Vollbart. Er glich
einem Mehlwurm.

Der Hauptmann musterte mich, nahm die Hacken
zusammen und nannte seinen Namen: Hauptmann
d. R. Scholl aus Brieg. Zwei von den Offizierstell-
vertretern hatten polnische Namen und stammten
aus Westpreußen. Der eine, ein stiller blonder
Jüngling, war Lehrer an einer Dorfschule, der andere
ein primitiver, aber anscheinend netter Junge, namens
Winiewski, mit zweifelhaftem Deutsch, ein Wasser-
polacke. Der Hauptmann war im Zivil Oberlehrer
am Gymnasium in Brieg. Der dicke Blonde, Heinrich
Lemke, und der vierte Offizierstellvertreter, Hein-
rich Brendel, auch ein mächtiger Kriegsbart, auch
eine Art Mehlwurm, waren Schlesier. Die beiden
Heinriche spielten Mühle mit Korkplätzchen auf
einer mit Bleistift und Kaffee bemalten Pappe.

Ob man telegraphieren könne, fragte ich. Der
Mehlwurm sah mich an, sog an seiner kurzen Pfeife
und schüttelte den Kopf. Es sei überhaupt nichts
geregelt, sagte der Hauptmann Scholl. Die Zustände
überträfen die kühnsten Erwartungen. Nicht einmal
Bettwäsche! Das geradezu Empörende aber war die
mangelhafte Lüftung. Er hatte einen Zettel ange-
fertigt mit sämtlichen Beschwerden, zwölf Nummern.
Bis auf den Halbpolen Winiewski, der schon länger
hier saß, waren alle direkt per Bahn von der Front

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