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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0075
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zusagen aus dem Nichts, aus einer weder von der
Natur noch vom Glück sonderhch begiinstigten
Lage zu dieser Höhe, dieser schlechterdings einzig-
artigen Höhe, wenn eine solche Entwicklung den
Haß anderer Nationen erregte, so mußte das als
Eingeständnis ihrer eigenen Unfähigkeit gewertet
werden. Dieser Haß ehrte Deutschland.

Remken wollte etwas sagen, aber neben uns
rangierte wieder der Zug mit dem blökenden Kalbe.
Scholl ließ sich nicht stören.

Und was die Veranlassung zu dem Krieg angehe,
so sei die Diskussion darüber längst geschlossen,
seitdem man den Depeschenwechsel mit dem Zaren
kenne und die Brüsseler Akten. — Er nahm Frank-
reich vor und die Milliarden an Rußland.
Einkreisungspolitik! sagte ich energisch. Das Blöken
war unerträglich.

Remken machte ein betrübtes Gesicht. Man
konnte ihn so in seinem Garten stehen sehen vor
einer eingegangenen Staude. Scholl entwickelte die
Einkreisungspolitik. Seine Ansichten deckten sich
ungefähr mit den meinen. Auf Kleinigkeiten kam
es nicht an. Sie fielen zu zehn wie die Aasgeier
über uns her. Jawohl, wie die Aasgeier! Remken
hatte dagegen nichts vorzubringen, versuchte es
auch gar nicht. Diese Auffassung sei ihm bekannt.
Er habe davon gelesen.

Immer zurückhaltend. Im Grunde dachte er
ganz anders. Als Scholl mit seiner Litanei fertig
war und sich zurückgezogen hatte, fragte ich
Remken, ob ihm je etwas Unangenehmes in
Deutschland zugestoßen sei. Er war sehr er-

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