Meier-Graefe, Julius: Die weisse Strasse (Berlin, 1930)

scheinen ließ, war uns im Wege. Ich brauchte keine
andere Frau, keinen anderen Menschen. Wenn du
nur wolltest, ging alles von selbst. Wir mußten auf-
passen. Du ahntest nicht, wie du einen entmutigen
konntest. Manchmal hatte ich bei Gott nicht an
deinen guten Willen geglaubt. Du nicht an den meinen.
Man war verbiestert. Du tatest gleichgültig, ich tat
gefühllos und ging an den Schreibtisch. Die Schreiberei
war für mich nur Ersatz. Wir sollten zusammen
arbeiten. Es ging, doch, doch, es ging. Hundertmal
hattest du mir, ohne es zu ahnen, mit einem Wort,
mit einer Bewegung, manchmal nur mit einem Blick
weiter geholfen. — Wenn du nur wüßtest! — Was
konnte ich für deine verpfuschte Kindheit! Du
warfst mir vor, was du vor mir erlebt hattest. War
es nicht verrückt ? — Übrigens blieben wir zunächst
ganz ruhig in Stockhoim, drei Tage zum Beispiel.
Du solltest es gut haben. Diese drei Tage wuschen
alles ab. Alles wurde endgültig ohne jede Reserve
vergessen. Alles! Stockholm im Winter hatte auch
was. Das komfortable Hotel, in der Nähe der fabel-
hafte Lachskeller. Hoffentlich war der alte Portier
im Hotel ersetzt worden, ein grämlicher alter Esel,
mit dem ich damals den Zank wegen des Schlafwagens
hatte.

Langsam! warnte eine abergläubige Stimme. Vor-
sicht! Abwarten! Es konnte Theater sein.

Sehr richtig! Immerhin „Probablement“. Und das
„Probablement“ hatte nur Stockholm gegolten,
nicht dem Austausch, weil man ja schließlich auch
über Rumänien konnte. Der Austausch war doch
nicht etwa ein besonderer Glücksfall, sondern das

IOI