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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0254
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N,

gesprochen und ich habe leider nicht genug zu-
gehört. Man hatte zuviel. Es ist gar nicht gesagt,
daß Paris für unsere Geschichte das richtige war,
obwohl ich bestimmt weiß, in Paris wäre nie etwas
zwischen uns gekommen. Doch hielt uns das Dritte
nicht an, uns zu nähern. Man war wie beflügelt und
berührte sich nur mit Flügeln. Paris war ein märchen-
hafter Reflektor, wo jeder Gedanke gleich ein Gesicht,
ein Lächeln, eine Träne, Gift und Labsal erhielt. Als
ich damals ohne Abschied plötzlich weglief, war nur
die Resonanz daran schuld, weil man einmal nicht
mehr vibrieren wollte. Mein Gott, Paris. Dieses eine,
mehr nicht, habe ich dir gegeben. Statt eigener Dinge
gab ich dir das Dritte, Gift und Labsal. Da wurdest
du schön. Glanz war um dich herum. Da sangst
du. Da sank dein Zweifel, und dein Glaube wuchs
wie hoch oben über uns der Bau von Sacre Coeur.
Wir lebten unter einem einzigen Ja. Wenn der Mund
weinte, lachte das Auge. Paris war ein Sacre
Coeur. Ich glaube, es fiel mir nur deshalb ein,
die drei Tage fortzugehen, um einmal ein Nein zu
versuchen.

Dumm, daß Paris dabei war! Der Sturz jenes
Sacre Coeur hat auch von uns etwas mitgerissen.
Wie konnte es nur dabei sein? — Natürlich über-
schätzt man heute die Geschichte. Vielleicht fährt
man doch noch einmal hin. Aber ich fürchte,
dann wäre es wirkhch nur das Mausoleum, und
man käme in die Rolle eines Menschen, der in
einem Hause Stiefel putzt, in dem er friiher ver-
kehrt hat.

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