der Galerie Doria, die sogenannte Dido. Hier ist nichts mehr von dem ge-
haltenen giorgionesken Empfinden zu spüren. In dem Weibe, das seinen
Schmerz in die Welt hinausschreit, läßt der Ferrarese seinem ursprüng-
lichen Temperament die Zügel schießen. Kann man in den Dreifiguren-
bildem (Modena, Pinakothek) noch den Faden mit der verflossenen Kunst
Ferraras finden, so geht Dosso in dem Ausdruckstondo zu Alnwick Castle
seiner Zeit mit gewaltigen Schritten voraus; man glaubt darin etwas
von der starken niederländischen Luft des siebzehnten Jahrhunderts zu
spüren.
So müssen wir in Dosso nicht nur den Verbreiter fremder Gedanken,
sondern auch den schöpferischen Geist in der Kunstgeschichte verehren.
Er schlägt die vollsten Farbenakkorde an; er hüllt seine Gestalten in
Stoffe von wunderbarem Schnitt aus köstlichem Brokat mit schimmernden
Goldfransen. Seine Landschaften geben gesteigert den ganzen Reichtum
von Motiven und Beleuchtungen wieder, über welche die damalige Malerei
verfügte, Meeresausblicke, starre Felsenpartien, lauschige Waldesdunkel,
Burgen und Städte; versengende Sonne, dunklen Gewitterhimmel, spie-
gelnde Bäche und sturmgepeitschte, hochaufspritzende Wasser, alle Ele-
mente hat Dosso im Sinne einer eindrucksvollen Stimmungsmalerei ver-
wendet. Sein ferraresisches Farbengefühl und eine große technische Be-
gabung kam ihm dabei zu Hilfe.
Gewaltig war der Eindruck von Dossos Kunst in seiner Heimat und groß
die Nachfolge. Selbst nüchterne Leute wie Garofalo und zierliche Hände
wie die eines Girolamo da Carpi gerieten zeitweise ganz in seinen Bann.
Und wenn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sein Einfluß verlischt,
so liegt das nicht an der Begrenzung seiner Kunst, sondern an ihrer all-
gemeinen Entwicklung. Andere Ideale und ein neuer Geist entstehen.
Heute, wo wieder Farbe, dekorative Wirkung und die Eigenart einer
Künstlerpersönlichkeit sich allen akademischen Regeln zum Trotz ihren
Platz im Kunstgeschmack erobert haben, ist es Zeit, wieder aufs neue
auf den Künstler aus Ferraras Glanzzeit hinzu weisen, der dies alles in
sich vereint: auf Dosso Dossi.
188
haltenen giorgionesken Empfinden zu spüren. In dem Weibe, das seinen
Schmerz in die Welt hinausschreit, läßt der Ferrarese seinem ursprüng-
lichen Temperament die Zügel schießen. Kann man in den Dreifiguren-
bildem (Modena, Pinakothek) noch den Faden mit der verflossenen Kunst
Ferraras finden, so geht Dosso in dem Ausdruckstondo zu Alnwick Castle
seiner Zeit mit gewaltigen Schritten voraus; man glaubt darin etwas
von der starken niederländischen Luft des siebzehnten Jahrhunderts zu
spüren.
So müssen wir in Dosso nicht nur den Verbreiter fremder Gedanken,
sondern auch den schöpferischen Geist in der Kunstgeschichte verehren.
Er schlägt die vollsten Farbenakkorde an; er hüllt seine Gestalten in
Stoffe von wunderbarem Schnitt aus köstlichem Brokat mit schimmernden
Goldfransen. Seine Landschaften geben gesteigert den ganzen Reichtum
von Motiven und Beleuchtungen wieder, über welche die damalige Malerei
verfügte, Meeresausblicke, starre Felsenpartien, lauschige Waldesdunkel,
Burgen und Städte; versengende Sonne, dunklen Gewitterhimmel, spie-
gelnde Bäche und sturmgepeitschte, hochaufspritzende Wasser, alle Ele-
mente hat Dosso im Sinne einer eindrucksvollen Stimmungsmalerei ver-
wendet. Sein ferraresisches Farbengefühl und eine große technische Be-
gabung kam ihm dabei zu Hilfe.
Gewaltig war der Eindruck von Dossos Kunst in seiner Heimat und groß
die Nachfolge. Selbst nüchterne Leute wie Garofalo und zierliche Hände
wie die eines Girolamo da Carpi gerieten zeitweise ganz in seinen Bann.
Und wenn in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sein Einfluß verlischt,
so liegt das nicht an der Begrenzung seiner Kunst, sondern an ihrer all-
gemeinen Entwicklung. Andere Ideale und ein neuer Geist entstehen.
Heute, wo wieder Farbe, dekorative Wirkung und die Eigenart einer
Künstlerpersönlichkeit sich allen akademischen Regeln zum Trotz ihren
Platz im Kunstgeschmack erobert haben, ist es Zeit, wieder aufs neue
auf den Künstler aus Ferraras Glanzzeit hinzu weisen, der dies alles in
sich vereint: auf Dosso Dossi.
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