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Menge, Rudolf
Antike Kunst (Text): Einführung in die antike Kunst: ein methodischer Leitfaden für höhere Lehranstalten und zum Selbstunterricht — Leipzig, 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.6111#0120
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II. Die griechische Kunst.

ein Knabe. Die zweite der Frauen, die auf einem teppich-
bedeckten Sessel sitzt, ist jugendlich, sie ist durch Ver-
schleierung ausgezeichnet; es ist Aphrodite. Sie deutet mit
der auf die Schultern des vor ihr stehenden Knaben gelegten
Linken auf den herannahenden Festzug hin. Die Vermutung,
dafs diese liebliche Erscheinung den Eros darstelle, wird
durch die noch erkennbaren Flügel bestätigt. Auch der auf-
gespannte Sonnenschirm weist auf ihn hin. Minder klar ist,
wen die zweite Frau vorstellt, auf deren Knie Aphrodite ver-
traulich den rechten Arm gestützt hat. Sie ist älter; als Ge-
wand hat sie aufser dem Chiton einen Mantel, der ihr in den
Schofs heruntergesunken ist; infolge der Haltung des linken
Armes will auch der Chiton herabgleiten, doch hält sie ihn
mit der Rechten zurück. Sie trägt eine Haube, aus der hinten
die Haare heraussehen. Diese Haube könnte die Hausfrau,
die Mutter, bedeuten, eine Eigenschaft, die bei der Demeter
besonders in den Vordergrund tritt. Andre erklären sie für
Peitho. die Göttin der Überredung, die sich in der Umgebung
der Aphrodite befindet.

Die Götter sind, aufser den zwei untergeordneten Gott-
heiten Iris und Eros, im Gegensatze zu den Menschen sitzend
dargestellt. So liefs es sich ermöglichen, sie gröfser als die
Menschen erscheinen zu lassen, ohne das beim griechischen
Relief übliche Gesetz zu verletzen, dafs die Köpfe der Figuren
in gleicher Höhe sind (Isokephalie). Aber die Götter thro-
nen nicht in feierlicher Haltung, als ob sie eine Huldigung der
Sterblichen würdevoll entgegennähmen; sie sind als für die
Menschen unsichtbar gedacht und dargestellt als die „leicht
hinlebenden" in olympischer Behaglichkeit und Freiheit.

Gefäfstragende Frauen. (Taf. 15, Fig. 8.1 Rechts
neben den Göttern (also am nördlichen Teile des Ostfrieses)
folgen vier Archonten, dann Festordner, mehrere Männer,
Weiber mit Opfergerätschaften, dann die auf Taf. 15, Fig. 8
dargestellte Gruppe. Die erste dieser Frauen trägt mit der
neben ihr herschreitenden (bei uns nicht abgebildeten) Frau
ein Räuchergefäfs mit langem Fufse, das nach oben in die
Form einer Eichel ausgeht. Über dem auf der Erde auf-
stofsenden Chiton hat sie einen langen und weiten, mehrfach
zusammengelegten, mit einer Borte umsäumten Mantel, den
sie mit dem linken, darunter verhüllten Unterarme etwas em-
porgezogen hat. Ihr folgen zwei Frauen mit Chiton und nur
kurzem Mantel, die in der Rechten Kannen tragen, während
die linken Arme in natürlich lässiger Haltung herabhängen.
1 >ann kommen zwei Frauen mit Schalen in der Rechten,
welche aufser mit dem Chiton mit grofsen, umsäumten Män-
 
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