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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Hrsg.]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 1) — 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.6323#0079
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63 -

obachtet hatten, durch welche die Nachahmung verständlicher
und schöner ausfiel, als das Original selbst. Dieser grosse
Künstor suchte die Quelle der Schönheit auf, und glaubte sie
vermittelst der Anatomie, auf welche er den grössten Fleiss
Verwendete, gefunden zu haben. Er brachte es darin so weit, dass
er sich durch diesen neuen Weg unsterblich machte, ob er gleich
das, was er eigentlich suchte, die Schönheit nämlich, nicht fand.
Denn diese liegt nicht in einem einzigen Theil, sondern im Gan-
zen, also in der Vereinigung der Anatomie mit den Proportio-
nen und den übrigen Umständen , aus denen schöne Dinge zu-
sammengesetzt sind.

Die übrigen Bildhauer der florentinischen Schule ahmten
dem anatomischen Styl Michel Angelo's nach, ohne es je-
doch zur Vollkommenheit dieses Meisters zu bringen. Daher
müssen ihm auch Johann von Bologna, Mont-Orsoli
und Andere weit nachstehen, bis endlich die bildende Kunst mit
dem Schicksal der Republik zerfiel und sich in Rom festsetzte.
Hier fing Algardi an, in der Bildhauerkunst den Styl einzu-
führen, welchen die Maler, seiner Zeit befolgten; er wollte näm-
lich in seiner Kunst~ ebenso nachahmen, als die Malerei, nämlich
die Wirkungen des Helldunkels aufsuchen und gewisse Theile
für das Auge vergrössern; kurz er überschritt die Gränzen des
Zwecks der Bildhauerkunst, welche die Gestalten der Wahrheit
gemäss, und nicht dem Anschein nach copirt. Auf diese Weise
führte er einen nianicrirten Styl ein.

Auf Algardi folgte Lorenzo Bern in i. Dieser fing da
an, wo jener aufgehört hatte. Da er ganz und gar darauf
bedacht war, die Augen zu verblenden, so verfertigte er ge-
wisse Statuen und Gruppen mit dreisten und wunderlichen Ein-
fällen, die gewissermassen einnehmend sind, wie man derglei-
chen sehr viele in Rom sieht, in welchen er stets die Correct-
heit der Munterkeit aufopferte und alle Formen im Aflects
darstellte.

Die nachfolgenden Bildhauer haben sich in der Nachahmung
Algardi's undBernini's nicht entscheidend genug gezeigt. Wenn
sie sich der Wahrheit bedienten, so geschah es, um die Formen
zu finden und sie der Manier der angeführten Meister zu unter-
werfen. Fiammingo, der sehr schöne Kinder bildete, ver-
 
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