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Der Maler hat deswegen die Perspective gut zu verstehen;
denn nur durch deren Hülfe wird er alle regelmässige Formen ver-
andern können. Er wird z. B. aus einem Quadrat ein Trapezium
oder eine unregelmässige Form machen, ein Dreieck vergrössern oder
verkleinern, einen Zirkel in eine Ellipse verwandeln und auf diese
Art jede Wiederholung vermeiden können. Ueberhaupt wenn das
eine Glied in seiner geometrischen Gestalt erscheint, so muss das
andere, ihm entsprechende, verkürzt werden, um dadurch Mannigfal-
tigkeit hervorzubringen.
Keine Gestalt darf einförmig seyn, sogar gerade Linien müssen
in wellenförmige verwandelt werden. Und dies bringt der Hauptform
keinen Nachtheil; denn man bemerkt, dass die Theile eines Zirkels
in verschiedenen Punkten, Entfernungen und Erhöhungen eine gerade
Linie berühren und keinen Winkel machen , sondern in beständiger
Abwechselung des ausgebogenen und eingebogenen (des Concaven und
Convexen) fortgehen. Eine Linie von der Art ist am meisten ge-
schickt, dein ümriss Grazie und Zierlichkeit zu geben; denn ohne
die Höhe oder Erhebung eines Gliedes zu verändern, kann ihnen das
Ansehen von mehr oder weniger Leichtigkeit gegeben werden, indem
sie, wenn das Ausgebogene grösser als das Eingebogene ist, schwe-
rer, und wenn das Gegentheil der Fall ist, leichter erscheinen. Daher
muss bei diesen beiden Arten von Formen ein richtiges Verhällniss
obwalten, wovon in dem Capitel über die Grazie ausführlicher die
Rede seyn wird.
Bei einem nackten Körper können nur dann Winkel angebracht
werden, wenn ein Muskel oder ein anderer Theil sich hinter dem
andern verbirgt; denn in diesem Falle bildet sich ein Winkel durch
die Art des Linienabschnitts, und dabei ist von grosser Wichtigkeit,
wo dieser Muskel oder dieser Theil entsteht. Unwissende Maler
haben in dieser Beziehung schon grobe Verstösse gegen die Anato-
mie sich zu Schulden kommen lassen. Die erwähnten Abschnitte
geschehen aber auf verschiedene Weise. Einmal können sie in den
Gliedern entstehen, die man ganz sieht, wenn die Schiefheit einer
Muskel ihren Ursprung in dem Theil nimmt, den man nicht sieht;
ferner können sie entstehen in den Verkürzungen, weil bisweilen ein
Muskel dadurch unterbrochen wird , dass der fleischigte Theil den
vertieften bedeckt, der ihn mit dem sehnigten (tendinösen) ver-
bindet.
Der Maler hat deswegen die Perspective gut zu verstehen;
denn nur durch deren Hülfe wird er alle regelmässige Formen ver-
andern können. Er wird z. B. aus einem Quadrat ein Trapezium
oder eine unregelmässige Form machen, ein Dreieck vergrössern oder
verkleinern, einen Zirkel in eine Ellipse verwandeln und auf diese
Art jede Wiederholung vermeiden können. Ueberhaupt wenn das
eine Glied in seiner geometrischen Gestalt erscheint, so muss das
andere, ihm entsprechende, verkürzt werden, um dadurch Mannigfal-
tigkeit hervorzubringen.
Keine Gestalt darf einförmig seyn, sogar gerade Linien müssen
in wellenförmige verwandelt werden. Und dies bringt der Hauptform
keinen Nachtheil; denn man bemerkt, dass die Theile eines Zirkels
in verschiedenen Punkten, Entfernungen und Erhöhungen eine gerade
Linie berühren und keinen Winkel machen , sondern in beständiger
Abwechselung des ausgebogenen und eingebogenen (des Concaven und
Convexen) fortgehen. Eine Linie von der Art ist am meisten ge-
schickt, dein ümriss Grazie und Zierlichkeit zu geben; denn ohne
die Höhe oder Erhebung eines Gliedes zu verändern, kann ihnen das
Ansehen von mehr oder weniger Leichtigkeit gegeben werden, indem
sie, wenn das Ausgebogene grösser als das Eingebogene ist, schwe-
rer, und wenn das Gegentheil der Fall ist, leichter erscheinen. Daher
muss bei diesen beiden Arten von Formen ein richtiges Verhällniss
obwalten, wovon in dem Capitel über die Grazie ausführlicher die
Rede seyn wird.
Bei einem nackten Körper können nur dann Winkel angebracht
werden, wenn ein Muskel oder ein anderer Theil sich hinter dem
andern verbirgt; denn in diesem Falle bildet sich ein Winkel durch
die Art des Linienabschnitts, und dabei ist von grosser Wichtigkeit,
wo dieser Muskel oder dieser Theil entsteht. Unwissende Maler
haben in dieser Beziehung schon grobe Verstösse gegen die Anato-
mie sich zu Schulden kommen lassen. Die erwähnten Abschnitte
geschehen aber auf verschiedene Weise. Einmal können sie in den
Gliedern entstehen, die man ganz sieht, wenn die Schiefheit einer
Muskel ihren Ursprung in dem Theil nimmt, den man nicht sieht;
ferner können sie entstehen in den Verkürzungen, weil bisweilen ein
Muskel dadurch unterbrochen wird , dass der fleischigte Theil den
vertieften bedeckt, der ihn mit dem sehnigten (tendinösen) ver-
bindet.