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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Editor]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 2) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.6324#0026
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— 20 —

gehören vorzugsweise die Carracci's und einige ihrer Schüler, die,
wenn sie gleich einen nach aller Strenge der Kunst gehauenen Stein
vorzustellen hatten, ihn niemals doch mit scharf gebrochenen Winkeln
ausführten. — Die Zeichnung umfasst, denjenigen ganzen Theil der
Malerei, welcher die Formen der Körper bestimmt; sie ist daher
unzertrennlich vom Helldunkel, namentlich in den Glänzen oder
äussersten Theilen der Gegenstände. Ihrer Grundlage nach besteht
sie gewissermaassen aus zwei Hauptstücken, einmal aus der Kenntniss
der eigenthümlichen Gestalt einer Sache, und dann der Art und
Weise, wie diese in's Auge fällt. Das zweite gehört eigentlich zur
Optik und wird in der Kunst mit dem Worte Perspective bezeichnet.
Das erste beruht in Beziehung auf lebendige Gestalten auf der Ana-
tomie , bei den übrigen Gegenständen aber auf der Kenntniss ihrer
eigenthümlichen Formen, die durch Hülfe der Geometrie dem Ge-
dächtnisse eingeprägt werden. Dabei inuss ich jedoch auch bemer-
ken, dass die Geometrie der Maler sich von jener der Mathematiker,
der eigentlichen, wesentlich unterscheidet, indem nämlich der Maler
auch die Gründe der Formen kennen muss, um sie lebhaft und aus
freier Hand darstellen zu können. Wäre der Maler auch ein Ma-
thematiker trotz dem Euklides, seine geometrischen Kenntnisse wür-
den ihm wenig nützen, wenn er nicht zugleich verstände , seine Fi-
guren ohne Lineal und Zirkel zu zeichnen; dazu aber kann er nur
durch die Fertigkeit, Alles richtig und genau zu sehen, gelangen.
Somit ist diese Fertigkeit eine der ersten Grundlagen der Zeichnung,
ohne welche der Maler seine theoretischen Kenntnisse nie zur Aus-
führung zu bringen vermag. Denn gleichwie in der Kunst die na-
türlichen Formen nur s o dargestellt werden können, dürfen und
müssen, wie sie in die Augen fallen , und wie die Schönheit der
Formen oft mehr oder weniger nur von einer Kleinigkeit abhängen
kann, die jenen Charakter und Bestimmtheit des Ausdrucks verleiht;
so wird auch durch diese Kleinigkeit mehr oder weniger das Ver-
ständniss der Formen gegeben oder benommen. Wer also gut zu
zeichnen wünscht, muss vor Allem sich bestreben, die Form des zu
zeichnenden Körpers richtig aufzufassen und dieselbe ebenso wieder
darzustellen. Zu der ganzen Form eines Körpers gehört auch das
Verhällniss seiner einzelnen Theile, das heisst, die Gleichförmigkeit,
welche dieselbe unter einander haben und die man gewöhnlich Pro-
portion nennt. Ton dieser aber muss in einem besondern Kapitel
 
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