Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meringer, Rudolf; Mayer, Carl
Versprechen und Verlesen: eine psychologisch-linguistische Studie — Stuttgart, 1895

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22263#0158
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
138

worte sagte: „Jch weiß, das Wort fängt mit ^ an, ich
kann's aber nicht sagen". Graves berichtet von einem
Kranken, der seit einem Schlaganfalle das Gedächtnis für
Hauptwörter und Eigennamen verloren hatte, sich aber
mit voller Sicherheit an deren ersten Buchstaben erinnerte
(sieh bei Freud, zur Auffassung der Aphasien S. 42).
Rabbas a. a. O. S. 357 hat bemerkt, daß eine Kranke
„manche Wörter richtig anfing, aber nicht richtig vollen-
den konnte".

Gegenwärtig bin ich mehr der Meinung, daß rein
graphische Gründe beim Lesen der Kranken dem Wortan-
laute das leichtere Erkennen sichern; aber es mag doch in
meiner srüheren Meinung ein Körnchen Wahrheit stecken.

L. Erscheinungen üei r und l üei den Kranken.

Uebersehen werden die Laute meist nicht, wenigstens
weniger leicht als andere nach meinem subjektiven Ein-
drucke. Der Kranke bei Rieger sieht bei „Ersolg" r und
l, o und g und macht „Rolligung" daraus. „Verschirren"
für „schirmenden" Rabbas S. 359; „foren" sür „furcht-
baren" ebd. (hier also Anlaut und r erhalten). Der
Kranke las statt „die surchtbaren Künste der Tyrannei"
— die foren der Tiere," was im Einklange ist mit den
gegebenen Gesichtspunkten. Die Greise bei Kr. 2 (S. 10)
machen aus „schwirrten" — „schwinden", „schwingten";
„schwittern", „schwimmert" (2 Formen mit r, 2 ohne),
aus „Spur" — „Spott"; „Brust", „Spore", „Spur"
(3 Formen mit r, 1 ohne), aus „gereift" -— „erreifte",
 
Annotationen