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Meurer, Moritz
Pflanzenformen: vorbildliche Beispiele zur Einführung in das ornamentale Studium der Pflanze; zum Gebrauche für Kunstgewerbe- und Bauschulen, Technische Hochschulen und höhere Unterrichtsanstalten sowie für Architekten und Kunsthandwerker — Dresden, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.43158#0042
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Kunstformen entsprechen durch bezeichnende Gruppierung verschiedenartiger Bilder in meisterhafter
Weise sogar der Anforderung, den mannigfaltigsten Gedanken gerecht zu werden. Eine solche Form
ist z. B. das ionische Kapitell: Die Gestalt seines sattelartigen Abakus mit den spiralig aufgerollten
Voluten versinnbildlicht das elastische Tragen, in der zweiseitigen Anordnung derselben aber die Flucht-
richtung der Säulenstellungen, welche in anderen Kapitellen mit ihren lediglich centralen Anordnungen
nicht zum Ausdruck kommt; die Perlschnüre und das Anthemienband seines Halses bezeichnet sowohl
den konstruktiven Zusammenhang zwischen Säulenschaft und Kapitell, wie die absolute Festigkeit der
Stütze, in den aufrechtstehenden Blüten des Bandes aber gleichzeitig die aufwärtsstrebende Richtung
der Säule, welche in der, die Mitte des Abakus schmückenden Palmette nochmals angedeutet wird, in-
dem ihre Form die symmetrische Anordnung der Voluten wiederklingen lässt; das Kymation unter
dem Polster des Abakus, welches den Echinus der dorischen Säule vertritt, verstärkt aber nochmals
den Ausdruck der Wechselwirkung von Stütze und Last. Wir sehen also durch die Bilder dieses Kapitells,
welches Formen und Ideen sowohl den natürlichen wie manufakturellen Erscheinungen entlehnt:
centrale, symmetriche und Richtungsgedanken, konstruktive und funktionelle Thätigkeiten des Gliedes
zum Ausdruck gebracht, denen sich das Bild eines rein gedanklichen Bezuges noch hinzugesellt, wenn
durch die angewendeten vegetabilen Vorbilder auch die Gottheit bezeichnet ist, welcher das Heiligtum
geweiht war.



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