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sie in der moralischen Welt um ein neues Sittengesetz, in der
politischen um andre Staatsformen, im sozialen Verkehr um
eine neue Ordnung, in der Gesittung um eine eigentümliche
Gestaltung des modernen Lebens sich bemüht: was ist natür-
licher, als daß sic auch in der Kunst sich selber zur Erschei-
nung zu bringen sucht, um im Bilde ihres Daseins gewiß
und froh zu werden?
Wenn es aber mit der neuen Kunst in diesem Sinne
Ernst sein oder werden soll, so kommt es augenscheinlich darauf
an, die Kunstweise, welche den Charakter des modernen Ge-
sammtlebens in eigentümlichen Formen anschaulich und lebendig
ausprägt, mit einen: Wort den Stil des neunzehnten Jahr-
hunderts zu finden. Wir wollen hier nicht die Widersprüche
hervorheben, die darin liegen, daß man den neuen Stil, wie
etwa die Losung eines chemischen Problems, durch Experimente
herauszubringen hofft, da doch der Stil einer Zeit als die
ihr cingeborne Anschauungsweise, wie sie sich in der Formen-
behandlung kundgiebt und entwickelt, schon ein in Formen
Sehen voraussetzt, daß man also sucht, was man schon haben
müßte, mn es zu finden. Auch den Zweifel wollen wir noch
bei Seite lassen, ob sich ein Stil in einem Zeitalter bilden kann,
das noch immer in der ungewissen Mitte zwischen einem ab-
gcthanen und einem erst werdenden Weltzustande schwebt und,
um die großen Formen seines öffentlichen lind Privaten Lebens
hcrvorzubringen, nur erst die gärenden Elemente enthält.
Von diesen allgemeinen Einwänden abzusehcn ist nicht mehr
als billig, wenn es gilt, die Versuche, in denen die Kunst der
Gegenwart sich auf ihre eignen Füße zu stellen strebt, un-
befangen und ohne vorgefaßte Meinung zu betrachten. An
diesen selber muß eine aufmerksame Untersuchung finden, wie
weit sie echt und lebensfähig, der naturvolle Ausdruck eines
nach neuer Gestaltung ringenden Geistes, wie weit sie gemacht
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sie in der moralischen Welt um ein neues Sittengesetz, in der
politischen um andre Staatsformen, im sozialen Verkehr um
eine neue Ordnung, in der Gesittung um eine eigentümliche
Gestaltung des modernen Lebens sich bemüht: was ist natür-
licher, als daß sic auch in der Kunst sich selber zur Erschei-
nung zu bringen sucht, um im Bilde ihres Daseins gewiß
und froh zu werden?
Wenn es aber mit der neuen Kunst in diesem Sinne
Ernst sein oder werden soll, so kommt es augenscheinlich darauf
an, die Kunstweise, welche den Charakter des modernen Ge-
sammtlebens in eigentümlichen Formen anschaulich und lebendig
ausprägt, mit einen: Wort den Stil des neunzehnten Jahr-
hunderts zu finden. Wir wollen hier nicht die Widersprüche
hervorheben, die darin liegen, daß man den neuen Stil, wie
etwa die Losung eines chemischen Problems, durch Experimente
herauszubringen hofft, da doch der Stil einer Zeit als die
ihr cingeborne Anschauungsweise, wie sie sich in der Formen-
behandlung kundgiebt und entwickelt, schon ein in Formen
Sehen voraussetzt, daß man also sucht, was man schon haben
müßte, mn es zu finden. Auch den Zweifel wollen wir noch
bei Seite lassen, ob sich ein Stil in einem Zeitalter bilden kann,
das noch immer in der ungewissen Mitte zwischen einem ab-
gcthanen und einem erst werdenden Weltzustande schwebt und,
um die großen Formen seines öffentlichen lind Privaten Lebens
hcrvorzubringen, nur erst die gärenden Elemente enthält.
Von diesen allgemeinen Einwänden abzusehcn ist nicht mehr
als billig, wenn es gilt, die Versuche, in denen die Kunst der
Gegenwart sich auf ihre eignen Füße zu stellen strebt, un-
befangen und ohne vorgefaßte Meinung zu betrachten. An
diesen selber muß eine aufmerksame Untersuchung finden, wie
weit sie echt und lebensfähig, der naturvolle Ausdruck eines
nach neuer Gestaltung ringenden Geistes, wie weit sie gemacht
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