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Meyer, Julius; Fiedler, Conrad [Editor]
Zur Geschichte und Kritik der modernen deutschen Kunst: gesammelte Aufsätze — Leipzig: Grunow, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.49260#0044
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und in sich selber haltlos, das leere Spiel einer willkürlichen
Erfindung und eines für das Wesen ebensowohl der Zeit als
der Kunst blöden Sinnes sind.
Gerade der Gegenstand, mit dem wir uns hier beschäf-
tigen, ist, Ivie vielleicht kein andrer, zu einer solchen Betrach-
tung angethan; in ihm faßt sich das Suchen nach der neuen
Kunstweise so bezeichnend zusammen, daß er in seiner Art als
ein Musterbild aller der Anstrengungen gelten kann, mit denen
das Zeitalter eine eigentümliche, schöpferische Kraft auf dem
Felde der Kunst zu bewähren strebt. Die neueste Münchner
Architektur giebt sich geradezu für den Ödipus aus, der das
Rätsel des modernen Baustils gelöst hat und nun der Gegen-
wart ihr neues Haus gründet. Auch scheinen alle günstigen
Bedingungen zu der neuen epochemachenden Schöpfung zu-
sammenzuwirken. Notwendig mußte die Kunst, die den festen
Grund und, nach Vischers treffendem Ausdruck, die „Versamm-
lungsstätte für alle übrigen Künste" abgicbt, den Anfang
machen; und diesmal sollte sie weder dem gewöhnlichen Be-
dürfnisse noch einer königlichen Liebhaberei dienen, sondern für
verschiedne Zwecke des Staatswesens und Gesammtlebens eine
Gruppe von monumentalen Bauten Herstellen, an die sich
dann eine Reihe Privathäuser, in demselben künstlerischen
Charakter gehalten — um gleichsam das tägliche Dasein über
den Boden der gemeinen Not und Bedürftigkeit erhoben zu
zeigen — anzuschließen hatte. Eine große, unzerstückte, öffent-
liche Aufgabe, bei welcher der modernen Bauphantasie durch
den großen Sinn des Königs*) freier Spielraum gegeben
war und zudem durch seine Gunst die erforderlichen Mittel
ungeschmälert zu Gebote standen.
Zugleich hätte es sich, so sollte man glauben, für die

-) Maximilian II.
 
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