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Meyer, Alfred Gotthold
Oberitalienische Frührenaissance: Bauten und Bildwerke der Lombardei (1. Theil): Die Gothik des Mailänder Domes und der Übergangsstil — Berlin: Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Gropius'sche Buch- und Kunsthandlung, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.67334#0085
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Beziehungen zur venezianischen Plastik.

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hat: der Mailänder „Mattheus de Ravertis“.1) Seine Hauptarbeit in Venedig, das Grab-
denkmal eines Borromeo in deren (1418^— 20 erbauten)2) Cappella di S. Elena auf der gleich-
namigen Insel, welches seinen Namen und das Jahr 1422 trug, wird bereits in Sansovinos
„Venetia descritta“ (1581) sehr rühmend erwähnt.3) Leider ist es nicht erhalten. Er hat
jedoch auch an der Ca’ d’Oro gearbeitet, ja er scheint an der Spitze der zahlreichen, an
diesem köstlichen Bau betheiligten Steinmetzen gestanden zu haben. Schon das erste Jahr
der Baugeschichte nennt seinen Namen und bezeichnet ihn als wohnhaft zu Venedig: im
Mai 1421 empfängt „Maestro Matteo Reverti da Milano, lapicida domiciliato in Venezia a

S. Felice“ Zahlungen. In den Ausgabebüchern
findet er sich von nun an häufig. Offenbar
nahm er eine leitende Stellung ein. Er be-
stimmt den Einkauf der Steine („piera viva“)
in Istrien (1425), er hat eine ganze Reihe von
Steinmetzen unter sich, und naturgemäfs meist
specielle Landsleute: Gasparino Rosso detto da
Milano, Giacomo, Giorgio und Antonio de
Rigezzo da Como u. a. Bis 1434 ist er in
Venedig an der Ca’ d’ Oro nachweisbar, früher
und länger als die Venezianer Giovanni und
Bartolommeo Buon, denen man bisher diesen
Palast zuzuschreiben pflegte. Nach den von
Paoletti edirten Urkunden gehen an der Ca’
d’ Oro, von anderen minder wichtigen Theilen
abgesehen, das Mafswerk am piano nobile, die
grofse Treppe im Hof und das Hauptportal direct
auf den Mailänder zurück.4) Leider aber ergiebt
sich hieraus nur im allgemeinen, dafs Matteo
de Revettis ein tüchtiger Vertreter der male-
rischen, spätgothischcn Ornamentik ist. Das
flott geschwungene, vollsaftige Blattwerk mit den
so charakteristisch verwerthetenBohrlöchern, die
Blattknäufe mit ihren maiskolbenartigen Frucht-
endigungen, die Bogenfriese mit ihren Nasen,
die Zeichnung des Mafswerkes, abgesehen von
der Profilirung — alle diese Motive der Ca’
d’ Oro finden sich am Mailänder Dom gelegent-
lich ähnlich wieder. Einen sicheren stilkritischcn
Mafsstab für weitgehende Zuweisungen von


statuarischen Werken gewinnt man aus diesen
spärlich erhaltenen Arbeiten an der Ca’ d’ Oro
allerdings nicht. Um so beachtenswerther ist
die beglaubigte Thätigkeit des Meisters in seiner

Abb. 33. „Noah’s Verspottung.“
Gruppe am Dogenpalast in Venedig.
Heimathsstadt Mailand selbst. In den

Dombauacten kehrt seine Name zwischen 1398 und 1404 häufig wieder. Im September
1398 legt er die letzte Hand an eine Magdalenastatue des Johannolus de Trizio, an welcher
nicht weniger als sechs Künstler nach- und nebeneinander arbeiten,5) am 5. Deccmbcr 1403
empfängt er, wie schon erwähnt, eine Zahlung für einen Engel des mittleren Chor-

1) Die Schreibweise seines Namens ist in den Acten des Mailänder Domes unter sich ver-
schieden und ebenso in den von Paoletti veröffentlichten venezianischen Documenten. Am richtigsten
ist wohl noch die oben im Text durchgeführte Form: Matteo Raverti.
2) Vergl. Paoletti, a. a. O. S. 57. Not. 1 a u. S. 75ff.
3) S. 76 verso 77.
4) Nach Paoletti (a. a. O. S. 23) stammt von Matteo Raverti ferner das letzte Loggiacapitäl zur
Linken. Die prächtige, reich figürliche Brunnenmündung im Hofe ist eine reifere Arbeit.
5) Vergl. Annali, App. I S. 242 ff.
 
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