80
Gerd Althoff
chen Angeboten zu verweigern, wenn sie nicht isoliert werden wollten. Das galt ge-
wiß verstärkt dann, wenn sich der König als Vermittler anbot.
Dieses hier ganz knapp umrissene Grundmodell einer gütlichen Konflikt-
beilegung mittels Vermittlern ist nun in allen mittelalterlichen Jahrhunderten und
darüber hinaus zu beobachten. Fragt man nach Wandlungen und Veränderungen
dieses Modells gerade in Bezug auf das Königtum, wird man zwei Phänomene her-
vorheben: 1. Gütliche Konfliktbeilegung konkurrierte im Verlaufe des Mittelalters
mehr und mehr mit der gerichtlichen Austragung von Streitfällen. 2. Könige wur-
den zunehmend sparsamer mit den Nachweisen ihrer cMnenfzü. Anstelle einer voll-
ständigen Verzeihung und Wiedereinsetzung in die frühere Stellung trat eine län-
gere Haftdauer, die man keineswegs mehr als symbolisch bezeichnen kann, traten
Verlust der Lehen und Eigengüter, Verbannung und anderes mehr. Bereits Hein-
rich II. hat seine dcmczzfM Gegnern durchaus sparsamer erwiesen, als dies im 10. Jahr-
hundert üblich gewesen zu sein scheint. Oder allgemeiner: Gerade in seiner Zeit läßt
sich beobachten, daß unterschiedliche Auffassungen und Auslegungen hinsichtlich
der Spielregeln der Konfliktführung bestanden. Dieser Befund soll, wie gesagt, im
folgenden im Vordergrund stehen.
Zunächst jedoch einige Hinweise zu diesen Spielregeln in der Zeit der ersten
Ottonen. Otto III. ist kein dankbarer Fall für Konfliktforscher, weil er in seiner kur-
zen Regierungszeit nördlich der Alpen weitgehend von Konflikten verschont blieb,
oder diese in den Quellen nicht erwähnt werden. Überliefert ist überhaupt nur der
bekannte Satz Thietmars von Merseburg, daß sich sächsische Große nicht ohne Mit-
wissen von Bischöfen gegen Otto III. verschworen, d.h. in einer cozzz'zzmfz'o zusam-
mengeschlossen hätten. Knut Görich hat sich mit dem möglichen Teilnehmerkreis
dieser cozzz'zzrofz'o eingehend beschäftigt V Weitergehende Untersuchungen läßt die
knappe Bemerkung Thietmars kaum zu. Südlich der Alpen ist für Otto III. vor al-
lem die Auseinandersetzung mit dem römischen Stadtpräfekten Crescentius wich-
tig V Hier beachtete man die Spielregeln: Zunächst gab es auf Vermittlung Papst
Gregors V. eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung; anstelle des Exils
stand die Wiedereinsetzung in Amt und Würden. Als dann jedoch Crescentius Gre-
gor V., also den Fürsprecher und Vermittler, vertrieb, verhandelte man nicht mehr,
sondern richtete Crescentius hin, nachdem man seiner habhaft geworden war. Die-
ses Verhalten folgte dem auch anderwärts zu beobachtenden ungeschriebenen
Gesetz, daß man eine gütliche Beilegung eines Konflikts nur einmal praktizierte.
Eröffnete jemand nach einer ccztzposz'h'o den Konflikt wieder, verwirkte er die spcs
mcozzczhüfzonzs oder das z'zzs cMizgrzühc.
Angesichts dieser spärlichen Konfliktfälle, in die Otto III. verwickelt war, ist
es wohl nötig, Konflikte seines Vaters und Großvaters in den Vergleich mit Hein-
rich II. einzubeziehen. Aus ihrer Zeit gibt es einen für uns besonders wichtigen Fall,
in dem bereits eine ungewöhnlich lange Haftstrafe zu beobachten ist. Dies ist der
12 Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon, hg. von ROBERT HoLTZMANN, MGH SS rer. Germ.
NS 9, Berlin Ü955, IV 49, S. 188: Nampac rzosfn dacgs et cozmVs, non sing consczenfzä epz'scoporMM,
maLa contra ganz conspz'rare nz'fanfar, Hemn'cz dacis, posfea saccgsson's saz, ad doc aaVhazw posfaiaafgs;
vgl. dazu KNUT GÖRICH, Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und
sächsische Historiographie (Historische Forschungen 18), Sigmaringen 1993, S.146 ff.
13 Vgl. dazu ausführlich GERD ALTHOFF, Otto III. (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance),
Darmstadt 1996, S. 100 ff.
Gerd Althoff
chen Angeboten zu verweigern, wenn sie nicht isoliert werden wollten. Das galt ge-
wiß verstärkt dann, wenn sich der König als Vermittler anbot.
Dieses hier ganz knapp umrissene Grundmodell einer gütlichen Konflikt-
beilegung mittels Vermittlern ist nun in allen mittelalterlichen Jahrhunderten und
darüber hinaus zu beobachten. Fragt man nach Wandlungen und Veränderungen
dieses Modells gerade in Bezug auf das Königtum, wird man zwei Phänomene her-
vorheben: 1. Gütliche Konfliktbeilegung konkurrierte im Verlaufe des Mittelalters
mehr und mehr mit der gerichtlichen Austragung von Streitfällen. 2. Könige wur-
den zunehmend sparsamer mit den Nachweisen ihrer cMnenfzü. Anstelle einer voll-
ständigen Verzeihung und Wiedereinsetzung in die frühere Stellung trat eine län-
gere Haftdauer, die man keineswegs mehr als symbolisch bezeichnen kann, traten
Verlust der Lehen und Eigengüter, Verbannung und anderes mehr. Bereits Hein-
rich II. hat seine dcmczzfM Gegnern durchaus sparsamer erwiesen, als dies im 10. Jahr-
hundert üblich gewesen zu sein scheint. Oder allgemeiner: Gerade in seiner Zeit läßt
sich beobachten, daß unterschiedliche Auffassungen und Auslegungen hinsichtlich
der Spielregeln der Konfliktführung bestanden. Dieser Befund soll, wie gesagt, im
folgenden im Vordergrund stehen.
Zunächst jedoch einige Hinweise zu diesen Spielregeln in der Zeit der ersten
Ottonen. Otto III. ist kein dankbarer Fall für Konfliktforscher, weil er in seiner kur-
zen Regierungszeit nördlich der Alpen weitgehend von Konflikten verschont blieb,
oder diese in den Quellen nicht erwähnt werden. Überliefert ist überhaupt nur der
bekannte Satz Thietmars von Merseburg, daß sich sächsische Große nicht ohne Mit-
wissen von Bischöfen gegen Otto III. verschworen, d.h. in einer cozzz'zzmfz'o zusam-
mengeschlossen hätten. Knut Görich hat sich mit dem möglichen Teilnehmerkreis
dieser cozzz'zzrofz'o eingehend beschäftigt V Weitergehende Untersuchungen läßt die
knappe Bemerkung Thietmars kaum zu. Südlich der Alpen ist für Otto III. vor al-
lem die Auseinandersetzung mit dem römischen Stadtpräfekten Crescentius wich-
tig V Hier beachtete man die Spielregeln: Zunächst gab es auf Vermittlung Papst
Gregors V. eine gütliche Beilegung der Auseinandersetzung; anstelle des Exils
stand die Wiedereinsetzung in Amt und Würden. Als dann jedoch Crescentius Gre-
gor V., also den Fürsprecher und Vermittler, vertrieb, verhandelte man nicht mehr,
sondern richtete Crescentius hin, nachdem man seiner habhaft geworden war. Die-
ses Verhalten folgte dem auch anderwärts zu beobachtenden ungeschriebenen
Gesetz, daß man eine gütliche Beilegung eines Konflikts nur einmal praktizierte.
Eröffnete jemand nach einer ccztzposz'h'o den Konflikt wieder, verwirkte er die spcs
mcozzczhüfzonzs oder das z'zzs cMizgrzühc.
Angesichts dieser spärlichen Konfliktfälle, in die Otto III. verwickelt war, ist
es wohl nötig, Konflikte seines Vaters und Großvaters in den Vergleich mit Hein-
rich II. einzubeziehen. Aus ihrer Zeit gibt es einen für uns besonders wichtigen Fall,
in dem bereits eine ungewöhnlich lange Haftstrafe zu beobachten ist. Dies ist der
12 Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon, hg. von ROBERT HoLTZMANN, MGH SS rer. Germ.
NS 9, Berlin Ü955, IV 49, S. 188: Nampac rzosfn dacgs et cozmVs, non sing consczenfzä epz'scoporMM,
maLa contra ganz conspz'rare nz'fanfar, Hemn'cz dacis, posfea saccgsson's saz, ad doc aaVhazw posfaiaafgs;
vgl. dazu KNUT GÖRICH, Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus. Kaiserliche Rompolitik und
sächsische Historiographie (Historische Forschungen 18), Sigmaringen 1993, S.146 ff.
13 Vgl. dazu ausführlich GERD ALTHOFF, Otto III. (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance),
Darmstadt 1996, S. 100 ff.