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DUhna re^m ^iscordü - Das entzweite Reich (1077-1125)
mehr und nicht weniger als die Unterwerfung oder Bewahrung einer spezifischen
Rechtsgemeinschaft ging" und dessen Folgen bis weit in die Stauferzeit hinein zu
spüren waren".
1073 entluden sich die angestauten Spannungen in einem großen Aufstand der
Sachsen gegen den Herrscher". Die Initiative ging dabei offensichtlich von den
durch die Burgenpolitik am stärksten betroffenen Gebieten im östlichen Sachsen
aus, dessen geistliche und weltliche Fürsten auch als die Köpfe der Bewegung auf-
traten". Bei Lampert werden namentlich Hermann Billung und Otto von Northeim
sowie Bischof Burchard von Halberstadt als Urheber und Anführer (ancfoms ac sz'g-
7iz/en) der Coniuratio genannt, denen sich bald zahlreiche andere Bischöfe und Gra-
fen anschlossen". Der Verlauf des Aufstands, der sich 15 wechselvolle Jahre hinzog
und schließlich in Verbindung mit den Auseinandersetzungen Heinrichs IV. mit
dem Reformpapsttum die tiefe Herrschaftskrise des Saliers heraufbeschwor,
braucht hier nicht nachgezeichnet zu werden"; daß der Widerstand gegen den
Herrscher durch die päpstliche Exkommunikation eine zusätzliche, gewissermaßen
göttliche Legitimation erfuhr und auf eine breitere Basis gestellt wurde, indem nun
auch andere Teile des Reichs offen gegen den König aufbegehrten, ist ebenfalls be-
kannt". Der Blick soll hier vielmehr auf die von den Sachsen vertretenen Ideen ge-
richtet werden, die auch die übrigen Fürsten des Reichs allmählich aufnahmen und
die damit zur ideellen Grundlage der späteren Fürstengemeinschaft wurden.
Nicht, daß diese Konzepte allesamt neu und revolutionär gewesen wären; doch
zum ersten Mal wurde jetzt - mehr oder weniger präzise - gedacht und auch for-
muliert, was vorher in den Quellen nur als vage Vorstellung oder als reiner Topos
begegnete: Wogegen sich die Sachsen mit ihrem Aufstand wehrten, war die als ty-
rannisch empfundene Herrschaft eines ungerechten Königs; auf der negativen Fo-
lie der konkreten Vorwürfe an den Salier füllte sich nun der Begriff der gerechten
Herrschaft, des gerechten Herrschers mit ebenso konkreten Inhalten; und in der
Diskussion um die Frage nach einem Widerstandsrecht gegen den König bahnten
sich als letzte Konsequenz bereits die spektakuläre Absetzung Heinrichs IV. und die
Wahl von Forchheim 1077 an. Mit der Betrachtung der sächsischen Sichtweise allein
ist allerdings kein objektives Bild zu gewinnen, denn diese war zwangsläufig ten-
denziös. Deshalb sind auch nicht-sächsische Quellen auf ihre Bewertung der Vor-
40 Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 119. Wie wichtig den Sachsen ihr Stammesrecht war,
belegt Wipos Bericht von der Anerkennung Konrads II. durch die Sachsen, die erst erfolgte,
nachdem der Salier die crWehssWa lex Saxomun förmlich bestätigt hatte: Wipo, Gesta Chuon-
radi, c. 6, S. 29. Vgl. dazu JORDAN, Sachsen, S. 543, 545f.; GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 153,
S. 164-166; DERS., Adel in Ostsachsen, S. 276. Immer wieder wird in den Quellen zudem betont,
daß die Sachsen ihre hherfas bedroht sahen. Vgl. etwa Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 148 u. ö.
41 SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens, S. 263-268.
42 Zum Begriff der »Sachsen« vgl. GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 163f.; SucHAN, Königsherr-
schaft, S. 61f.; SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens, S. 266.
43 Vgl. JoRDAN, Sachsen, S. 547; allgemein zur Rolle des ostsächsischen Adels in dieser Zeit siehe
GiESE, Adel in Ostsachsen.
44 Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 148-150. Zu den Köpfen des Widerstands vgl. FENSKB, Adels-
opposition, S. 61-94,100-118.
45 Vgl. dazu ausführlich FENSKE, Adelsopposition; GiESE, Der Stamm der Sachsen.
46 Vgl. FENSKE, Adelsopposition, S. 43; EiCHENBERCER, Patria, S. 162. Vgl. dazu auch unten S. 33ff.
DUhna re^m ^iscordü - Das entzweite Reich (1077-1125)
mehr und nicht weniger als die Unterwerfung oder Bewahrung einer spezifischen
Rechtsgemeinschaft ging" und dessen Folgen bis weit in die Stauferzeit hinein zu
spüren waren".
1073 entluden sich die angestauten Spannungen in einem großen Aufstand der
Sachsen gegen den Herrscher". Die Initiative ging dabei offensichtlich von den
durch die Burgenpolitik am stärksten betroffenen Gebieten im östlichen Sachsen
aus, dessen geistliche und weltliche Fürsten auch als die Köpfe der Bewegung auf-
traten". Bei Lampert werden namentlich Hermann Billung und Otto von Northeim
sowie Bischof Burchard von Halberstadt als Urheber und Anführer (ancfoms ac sz'g-
7iz/en) der Coniuratio genannt, denen sich bald zahlreiche andere Bischöfe und Gra-
fen anschlossen". Der Verlauf des Aufstands, der sich 15 wechselvolle Jahre hinzog
und schließlich in Verbindung mit den Auseinandersetzungen Heinrichs IV. mit
dem Reformpapsttum die tiefe Herrschaftskrise des Saliers heraufbeschwor,
braucht hier nicht nachgezeichnet zu werden"; daß der Widerstand gegen den
Herrscher durch die päpstliche Exkommunikation eine zusätzliche, gewissermaßen
göttliche Legitimation erfuhr und auf eine breitere Basis gestellt wurde, indem nun
auch andere Teile des Reichs offen gegen den König aufbegehrten, ist ebenfalls be-
kannt". Der Blick soll hier vielmehr auf die von den Sachsen vertretenen Ideen ge-
richtet werden, die auch die übrigen Fürsten des Reichs allmählich aufnahmen und
die damit zur ideellen Grundlage der späteren Fürstengemeinschaft wurden.
Nicht, daß diese Konzepte allesamt neu und revolutionär gewesen wären; doch
zum ersten Mal wurde jetzt - mehr oder weniger präzise - gedacht und auch for-
muliert, was vorher in den Quellen nur als vage Vorstellung oder als reiner Topos
begegnete: Wogegen sich die Sachsen mit ihrem Aufstand wehrten, war die als ty-
rannisch empfundene Herrschaft eines ungerechten Königs; auf der negativen Fo-
lie der konkreten Vorwürfe an den Salier füllte sich nun der Begriff der gerechten
Herrschaft, des gerechten Herrschers mit ebenso konkreten Inhalten; und in der
Diskussion um die Frage nach einem Widerstandsrecht gegen den König bahnten
sich als letzte Konsequenz bereits die spektakuläre Absetzung Heinrichs IV. und die
Wahl von Forchheim 1077 an. Mit der Betrachtung der sächsischen Sichtweise allein
ist allerdings kein objektives Bild zu gewinnen, denn diese war zwangsläufig ten-
denziös. Deshalb sind auch nicht-sächsische Quellen auf ihre Bewertung der Vor-
40 Vgl. WEiNFURTER, Herrschaft und Reich, S. 119. Wie wichtig den Sachsen ihr Stammesrecht war,
belegt Wipos Bericht von der Anerkennung Konrads II. durch die Sachsen, die erst erfolgte,
nachdem der Salier die crWehssWa lex Saxomun förmlich bestätigt hatte: Wipo, Gesta Chuon-
radi, c. 6, S. 29. Vgl. dazu JORDAN, Sachsen, S. 543, 545f.; GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 153,
S. 164-166; DERS., Adel in Ostsachsen, S. 276. Immer wieder wird in den Quellen zudem betont,
daß die Sachsen ihre hherfas bedroht sahen. Vgl. etwa Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 148 u. ö.
41 SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens, S. 263-268.
42 Zum Begriff der »Sachsen« vgl. GiESE, Der Stamm der Sachsen, S. 163f.; SucHAN, Königsherr-
schaft, S. 61f.; SCHUBERT, Geschichte Niedersachsens, S. 266.
43 Vgl. JoRDAN, Sachsen, S. 547; allgemein zur Rolle des ostsächsischen Adels in dieser Zeit siehe
GiESE, Adel in Ostsachsen.
44 Lampert, Annalen, ad a. 1073, S. 148-150. Zu den Köpfen des Widerstands vgl. FENSKB, Adels-
opposition, S. 61-94,100-118.
45 Vgl. dazu ausführlich FENSKE, Adelsopposition; GiESE, Der Stamm der Sachsen.
46 Vgl. FENSKE, Adelsopposition, S. 43; EiCHENBERCER, Patria, S. 162. Vgl. dazu auch unten S. 33ff.