TOMÄS DURDIK
Das hussitische Heerwesen
Das hussitische Heerwesen repräsentiert einen der Grundpfeiler des neuzeitlichen
Militärwesens. In Mitteleuropa brachte es eine grundlegende Änderung in der Art
der Kriegsführung mit sich, die den verschiedenen Kämpfen einen vernichtenden
Erfolg garantierte und allmählich zum Gegenstand der Nachahmung, zu einer der
wesentlichen Inspirationsquellen für einen bedeutenden Teil Europas wurde. Des-
halb genoss und genießt die hussitische Kriegführung weiterhin große Aufmerk-
samkeit in der Forschung.1 Die Thematik ist außerordentlich bedeutsam und ausge-
dehnt; sie kann natürlich im Rahmen dieses Beitrags nicht erschöpfend behandelt
werden. Ich versuche deshalb, eine Zusammenfassung der wichtigsten und prinzi-
piellen Tatsachen zu geben, die eine grundlegende Charakteristik des hussitischen
Heerwesens und seines geschichtlichen Beitrags ermöglichen soll. Aus Platzgrün-
den werden Einzelnachweise im Folgenden auf ein Minimum beschränkt.
Das hussitische Heerwesen ist als Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung
des 14. und frühen 15. Jahrhunderts in Böhmen zu verstehen, die einerseits zu einer
Stärkung der kirchlichen Macht und ihres Apparates, des Selbstbewusstseins und der
Aggressivität des Hochadels und anderseits zu einer Pauperisierung des Großteils
der Stadt- und Landbevölkerung führte. Der Ruf nach einer Wiedergeburt der Kirche
und einer Wiedereinführung gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse fiel in der sich
vertiefenden Krise auf fruchtbaren Boden. Diese Situation gipfelte im Werk und in der
Wirkung des Jan Hus. Sein Feuertod in Konstanz im Jahre 1415 hat dann den ganzen
Prozess noch beschleunigt.
Zur Zeit des Ausbruchs der Hussitenkriege standen sich infolge der Polarisie-
rung der Gesellschaft zwei sozial vollkommen unterschiedliche Gruppierungen
gegenüber. Die katholische Seite repräsentierte vor allem der Hochadel, für den die
ritterliche Art des Kampfes, für die er ausgebildet wurde, nicht nur eine Selbstver-
ständlichkeit war, sondern praktisch auch die einzige Variante eines bewaffneten
Konflikts. Die Basis der militärischen Stärke auf der katholischen Seite bildete folglich
der klassische, feudale, schwer bewaffnete Reiter in einer Harnischrüstung, der im
Rahmen seiner Standeszugehörigkeit, entsprechend seinem ethischen Kodex (vor al-
lem in der Auffassung der ritterlichen Ehre), die Situation reflektierte.
An der Seite der Hussiten waren Angehörige des Hochadels Ausnahmen. Die
Mehrzahl der hussitischen Anführer rekrutierte sich aus dem niederen Landadel.
Meistens hatten diese Hauptmänner bereits reiche Erfahrungen bei einheimischen
1 Z. B. Toman 1898; Durdik 1961; Klucina 1985.
Das hussitische Heerwesen
Das hussitische Heerwesen repräsentiert einen der Grundpfeiler des neuzeitlichen
Militärwesens. In Mitteleuropa brachte es eine grundlegende Änderung in der Art
der Kriegsführung mit sich, die den verschiedenen Kämpfen einen vernichtenden
Erfolg garantierte und allmählich zum Gegenstand der Nachahmung, zu einer der
wesentlichen Inspirationsquellen für einen bedeutenden Teil Europas wurde. Des-
halb genoss und genießt die hussitische Kriegführung weiterhin große Aufmerk-
samkeit in der Forschung.1 Die Thematik ist außerordentlich bedeutsam und ausge-
dehnt; sie kann natürlich im Rahmen dieses Beitrags nicht erschöpfend behandelt
werden. Ich versuche deshalb, eine Zusammenfassung der wichtigsten und prinzi-
piellen Tatsachen zu geben, die eine grundlegende Charakteristik des hussitischen
Heerwesens und seines geschichtlichen Beitrags ermöglichen soll. Aus Platzgrün-
den werden Einzelnachweise im Folgenden auf ein Minimum beschränkt.
Das hussitische Heerwesen ist als Produkt der gesellschaftlichen Entwicklung
des 14. und frühen 15. Jahrhunderts in Böhmen zu verstehen, die einerseits zu einer
Stärkung der kirchlichen Macht und ihres Apparates, des Selbstbewusstseins und der
Aggressivität des Hochadels und anderseits zu einer Pauperisierung des Großteils
der Stadt- und Landbevölkerung führte. Der Ruf nach einer Wiedergeburt der Kirche
und einer Wiedereinführung gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse fiel in der sich
vertiefenden Krise auf fruchtbaren Boden. Diese Situation gipfelte im Werk und in der
Wirkung des Jan Hus. Sein Feuertod in Konstanz im Jahre 1415 hat dann den ganzen
Prozess noch beschleunigt.
Zur Zeit des Ausbruchs der Hussitenkriege standen sich infolge der Polarisie-
rung der Gesellschaft zwei sozial vollkommen unterschiedliche Gruppierungen
gegenüber. Die katholische Seite repräsentierte vor allem der Hochadel, für den die
ritterliche Art des Kampfes, für die er ausgebildet wurde, nicht nur eine Selbstver-
ständlichkeit war, sondern praktisch auch die einzige Variante eines bewaffneten
Konflikts. Die Basis der militärischen Stärke auf der katholischen Seite bildete folglich
der klassische, feudale, schwer bewaffnete Reiter in einer Harnischrüstung, der im
Rahmen seiner Standeszugehörigkeit, entsprechend seinem ethischen Kodex (vor al-
lem in der Auffassung der ritterlichen Ehre), die Situation reflektierte.
An der Seite der Hussiten waren Angehörige des Hochadels Ausnahmen. Die
Mehrzahl der hussitischen Anführer rekrutierte sich aus dem niederen Landadel.
Meistens hatten diese Hauptmänner bereits reiche Erfahrungen bei einheimischen
1 Z. B. Toman 1898; Durdik 1961; Klucina 1985.