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Auge, Oliver [Oth.]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Bereit zum Konflikt: Strategien und Medien der Konflikterzeugung und Konfliktbewältigung im europäischen Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 20: Ostfildern, 2008

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Schultze, Dirk,: Einführung
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https://doi.org/10.11588/diglit.34734#0013

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DIRK SCHULTZE

Einführung

Daß wir ja nicht Redefeinde werden,
sprach er, wie andere wohl Menschen-
feinde! Denn unmöglich, sagte er,
kann einem etwas Ärgeres begegnen,
als wenn [man] Reden haßt.
Platon: Phaidon

In Platons Dialog Phaidon werden Sokrates, dem Stammvater des philosophischen
Disputs, die oben zitierten Worte in den Mund gelegt. In Sokrates' Verbindung von
Redefeindschaft (pTaoA-oyia) und Menschenfeindschaft, beide von ihm auf Unver-
stand im Umgang mit Menschen bzw. mit dem Wort zurückgeführt, spiegelt sich
eine Konstante der konfliktbelasteten menschlichen Kulturgeschichte wider.
Das seit dem 18. Jahrhundert in der deutschen Sprache nachweisbare Wort
Konflikt1 geht auf das lateinische Verb confligere Zusammenstößen, zusammenschla-
gen< zurück. Ist damit zunächst einmal ein konkreter Vorgang gemeint, so gewinnt
das Verb bzw. das von ihm abgeleitete Partizip conflictus bereits in klassischer Zeit
auch die Bedeutung militärische Auseinandersetzung^1 2 und von dort ist es nicht
weit zu seiner übergreifenden modernen Verwendung als Synonym für >Auseinan-
dersetzung< ganz allgemein. Interessant erscheint diese Etymologie in Hinsicht auf
den Titel eines amerikanischen Buches, das in den letzten Jahren wiederholt Furore
gemacht hat - Samuel P. Huntingtons The Clash of Civilizations and the Remaking of
World Order (1996). Ob nun als Konflikt oder (ursprünglich lautmalerisch) als clash -
das medial eng zusammengewachsene globale Dorf sieht sich am Beginn des
21. Jahrhunderts nach wie vor Auseinandersetzungen gegenüber, die durch supra-
nationale Organisationen kaum verhindert oder kontrolliert werden können, ja die
durch derartige Organisationen manches Mal gerade erst ausgelöst werden. Die ge-
walttätigen Katastrophen des 20. Jahrhunderts finden heute ihresgleichen, auch
wenn z. T. die Vorzeichen ganz andere sind, zu denken ist dabei an neue Formen
von Rassismus und Terrorismus, ausgeübt von Staaten wie auch von Individuen
bzw. Gruppen, darunter nicht zuletzt der symbolträchtige Angriff auf die westliche
Welt vom 11. September 2001, mitsamt den kontroversen Bewertungen, die diese
Auseinandersetzungen erfahren. Diese Konflikte, dies ist überdeutlich, bilden nicht
nur eine unmittelbare Bedrohung des menschlichen Zusammenlebens, sie stellen
stets auch das spezifische Zusammenleben der beteiligten Gruppen in Frage, gleich-
sam als eine Art pervertierte Form der Kulturkritik. Wie weit diese Form der »Kri-

1 Vgl. das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (1854—1960; 2004), s. v., sowie
Kluge, bearb. Seebold 1999, s. v.
2 Vgl. Georges (1913/1918; 2002), s. v. Siehe auch Du Cange 1883, s. v. conflictus.
 
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