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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0172

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168

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

objektive Darstellung des Belehnungsaktes. Die Begegnung im Lager König
Rudolfs wurde in der Historiographie zu Gunsten des Habsburger gedeutet,
der Belehnungsakt trat mehr und mehr als Unterwerfung des nun geschlage-
nen Königs Otakar hervor. Der Höhepunkt spöttischer Verbrämung war die
Bearbeitung des Stoffs in der Historia Bohemica des Aeneas Silvio Piccolomini
aus dem Jahre 1457, bei der aus der Unterordnung eine peinlich berührende
Bloßstellung des Böhmenkönigs wurde: Während Otakar vor dem thronenden
Rudolf kniete, um im Schutz eines Zeltes den Lehnseid zu leisten, wurden die
vier Zeltwände plötzlich geöffnet und gaben so den Demutsakt der Lächerlich-
keit preis.*
Widersprüchlich, wenngleich erstaunlich ausführlich, geben die überlie-
ferten Quellen Hinweise auf die symbolischen Handlungen der beiden Köni-
ge. Hierzu zählen die urkundlichen Zeugnisse, wie der durch Unterhändler
vereinbarte Vertrag und das Schriftstück, in dem Rudolf und Otakar die Be-
schlüsse um Frieden von Wien annahmen/ sowie der Lehnsbrief für Otakar/
Diese enthalten zwar keine Hinweise auf Gesten und Zeremoniell, doch wer-
den durch sie sowohl der Ort (Grsfnmr ante Wz'enwam), als auch wichtige Daten
belegt. Die Belehnung erfolgte am 25. November 1276, die Unterzeichnung des
Friedensvertrags am Folgetag. Zwei Briefe Otakars und ein Protestschreiben,
die im Laufe des Dezembers verfasst wurden, beziehen sich auf die Belehnung,
gehen allerdings auch nicht auf Gesten und Zeremoniell ein/ Die Quelle, die
am ausführlichsten erzählt, sind die Annales Ottokariani, eine Fortsetzung der
böhmischen Chronik des Cosmas von Prag, die in dem geringen zeitlichen
Abstand von wenigen Jahren nach den Ereignissen entstanden/ Der anony-
me Autor beschreibt ausführlich die Vorbereitungen und den Feldzug Otakars
nach Wien, wo sich die Heere der beiden Könige sieben Wochen lang in Feld-
lagern gegenüberstanden. Nach gegenseitig geleisteten Sicherheitseiden wur-
de auf der Donauinsel, die Kzwz&erA: genannt wurde, über ein freundschaftliches
Friedensbündnis verhandelt/ Eine Belehnungszeremonie mit Fahnen fand
ebenfalls statt. Festzuhalten bleibt die Parteinahme des Schreibers der Annales
Ottokariani, indem er die auf der Insel Kamberk vereinbarten Punkte, darunter
die Abtretung Österreichs und die erzwungene Lehnsnahme Böhmens, als ver-
achtenswert charakterisierte/

2 Piccolomini, Aeneas Silvius, Historia Bohemica, in: Ders., Opera omnia, S. 98.
3 1276 Nov. 21: MGH Const. 3, Nr. 113, S. 103-105; 1276 Nov. 26: ebd., Nr. 114, S. 106f.
4 1276 Nov. 25: Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae. Bd. 5/2, ed. Sebanek/Dus-
kova, Nr. 824, S. 523, ebenso in Codex dipiomaticus et epistolaris Moraviae, ed. Boczek et ab,
Bd. 4, Nr. 132, S. 181.
5 Wien, 1276 Dez. 29 (Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae, ed. Boczek et ab, Bd. 4,
Nr. 134, S. 185f.): Protestatio Otakara/a Radot/o reg; de tern's Aastn'ae Styrz'ae Can'at/n'ae et Carnioiae
cessisse ab eode?a regao Bobeahae et ararbcioaata Morauiae ?'a/eadataar esse.
6 Annales Ottakariani, ed. Köpke, in: MGH SS 9, S. 190f.; ebenso in der Ausgabe Emler, Annales
Ottakariani [Pribehy kräle Premysla Otakara II.], ed. Emler, in: FRB 11/1, S. 308-335.
7 Annales Ottakariani, ed. Köpke, in: MGH SS 9, S. 190: [...] eiegeraat iocara z'asaAa ^aaadaa?
dictam Ka;aberb ad tractaadaa; pro aaa'cabdi co^apostttoae et re/bnaatioaepacis [...].
8 Ebd., S. 191: Qaaedan; aateai, ^aae ibtdea; ia KaaDerk acta saat, raaiaz sabticere, ae JbHe siagaia, at
/aeraat, prose^aeado aiap;oraar odta?a iacarraat
 
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