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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0171

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1.4. Belehnungsakte zwischen Königen
Der König war die Spitze der Lehnsgesellschaft. Insignien, aber auch bestimmte
Formen der Ritualisierung seines Verhaltens, hoben ihn als den Höchsten in
seinem Machtbereich hervor. Dieses ebenso eingängige wie einfache Schema
monarchischer Königsherrschaft war auch im Spätmittelalter leitendes Prin-
zip für die gesellschaftliche Organisation. Doch Lehnsbeziehungen, die zwei
Könige in ein rechtliches Abhängigkeitsverhältnis brachten, stellten darin eine
ungewöhnliche Ausnahme dar. Denn eine Hierarchie unter Königen stand im
Gegensatz zu jener Auffassung von unabhängigen und gleichrangigen, weil
gesalbten und gekrönten Königen. Diese Auffassung, deren Ursprünge sich
weit zurückverfolgen ließen, gewann ab der Wende vom hohen zum späten
Mittelalter an Gewicht und sollte sich als diejenige durchsetzen, der die Zu-
kunft gehörte: der innerlich und äußerlich souveräne Staat der Neuzeit. Diese
Entwicklungsstufe, in der die persönlich und rituell gestalteten Abhängigkeits-
verhältnisse zurückgingen, ist der folgende Abschnitt gewidmet. Zunächst ist
auf die Hintergründe wie auch die nuancierten Unterschiede in der Bericht-
erstattung des erzwungenen Lehnseides des böhmischen Königs Premysl Ota-
kar einzugehen.' Bei der anschließenden allgemeinen Betrachtung der Beleh-
nungsakte unter Königen im Spätmittelalter stehen die zeremoniellen Formen
zwischenstaatlicher Bindungen und der dadurch ersichtliche Wandel im Vor-
dergrund.

1.4.1. Der Lehnseid Premysl Otakars an Rudolf von Habsburg
Im Spätherbst des Jahres 1276 schien eine militärische Lösung im Konflikt zwi-
schen Rudolf von Habsburg und König Premysl Otakar von Böhmen der einzi-
ge Ausweg zu sein. Nachdem sich beide Könige in der Nähe von Wien mehrere
Wochen mit ihren Heeren gegenüber gestanden hatten, kam es durch Vermitt-
lung von Unterhändlern zu einem Kompromiss, bei dem Otakar die umstrit-
tenen Reichslehen Kärnten, Steiermark, Krain, die Windische Mark, Porde-
none und Eger aufgeben sollte, um dafür mit dem Königreich Böhmen und
der Markgrafschaft Mähren belehnt zu werden. Diese Belehnung fand dann in
einer Zeremonie am 25. November 1276 statt, doch vermochte weder sie noch
der am Folgetag Unterzeichnete Friedensvertrag die vielfältigen Streitpunkte
beizulegen. Statt zu einer Annäherung der Dynastien der Pfemysliden und
Habsburger und der erhofften Verbindung durch eine zweifache Eheschlie-
ßung kam es allenfalls zu einem Aufschub der kriegerischen Auseinanderset-
zung. Belehnung und Friedensschluss stellten somit keine dauerhafte Lösung
für den andauernden Konflikt dar. In den darauffolgenden Wochen und Mo-
naten steigerte sich der Gegensatz zwischen den Königen bis zur Schlacht bei
Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278, bei der König Otakar den Tod
fand. Dieser Sieg der Habsburger beeinträchtigte im Nachhinein vielfach die

1 R12; ERKENS, Art. »Wien, Friede von«, in: LexMa 9, Sp. 85f.
 
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