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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0023

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Einleitung

19

litisches Instrument eingesetzt wurde. Denn auch wenn Herrschertreffen offen-
sichtlich das Ergebnis der jeweiligen historischen Konstellation waren, schien
die Attraktivität einer persönlichen Begegnung darin zu liegen, dass beider-
seitig bekannte und abstimmbare Rahmenbedingungen, zu denen juristische,
militärische, aber eben in spezifischer Weise auch rituelle und zeremonielle
Voraussetzungen zählten, eine inhaltliche Verständigung berechen- und er-
wartbar machen konnten, heutigen Gipfeltreffen nicht unähnlich. Hierbei gilt
es nicht nur den offensichtlichen Formen der Gestaltung einer Beziehung un-
ter Staatsoberhäuptern wie Verträgen oder Eiden nachzugehen. In besonderer
Weise soll erstmals in der Forschung für alle wichtigen europäischen Monar-
chien in vergleichender Perspektive den zeremoniellen und rituellen Formen,
dem besonderen Verhalten im Moment der Begegnung nachgegangen werden.
Dabei ist der Blick auch darauf zu richten, inwieweit bei strategisch geplan-
ten Begegnungen neben unmittelbar und intentional verfolgten politischen
Zielen das formalisierte Verhalten eine Rolle spielte. Gerade hier setzt die hi-
storisch kritische Analyse der unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen an, da
das vielfach als repräsentatives Gehabe der Herrschenden abgetane Auftreten
nicht immer die Rolle spielte, wie es von Zeitgenossen und Geschichtsschrei-
bern behauptet bzw. kritisiert wurde.^ Darüber hinaus ist der Frage nach der
Handlungsmacht der Agenten nachzugehen, also von wem die Gestaltung der
einzelnen Akte ausging und welchem FJmfeld Vorbilder und Traditionen ent-
stammten.
Insgesamt versteht sich die Arbeit als komparatistischer Beitrag zur For-
schung über europäische Gesellschaften und Traditionen. Zu einer solchen
Untersuchung forderte bereits Marc Bloch im Jahre 1927 auf.^ Doch anders
als kulturgeschichtliche, sozial- oder wirtschaftshistorische Vergleichsstudien,
die ein nicht rein objektiv bestimmbares UrbUm companüzHüs benötigen, gehen
Unterschiede bei der Untersuchung von Herrschertreffen unmittelbar aus den
zeitgenössischen Fremdbewertungen, den gegenseitigen Beschreibungen her-
vor.

Die untersuchten Herrschertreffen im Spätmittelalter
Unter der Maßgabe, sowohl eine gesamteuropäische Dimension zu erfassen als
auch die Auftrittsformen des spätmittelalterlichen Königtums zu untersuchen,
ergibt sich in dreierlei Hinsicht eine notwendige thematische Beschränkung.
Erstens wurde der Personenkreis der einbezogenen Herrschaftsträger auf
abendländische Könige und die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs sowie
von Byzanz beschränkt. Berücksichtigt wurden Herrscher mit königlichem Ti-
tel, die gekrönt waren und Regierungstätigkeit nachgingen. Damit sind einer-

48 Vgl. dazu die eingangs zitierten Kritiker Diego de Saavedra Fajardo und Philippe de Commynes,
oben S. 11; im Folgenden geht insb. Kap. 1.1.2. (S. 72-92) darauf ein.
49 BLOCH, Pour une histoire comparee des societes europeennes (dt. Für eine vergleichende Ge-
schichtsbetrachtung der europäischen Gesellschaften, ed. Middell/Sammler).
 
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