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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0209

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1.5. Treffen mit gefangenen Königen
Eine Gefangennahme und Haft drohte jedem Herrscher, der eine offene Feld-
schlacht riskierte.* Ebenso konnte ein König durch gezielte, gegebenenfalls
handstreichartige Aktionen in die Gewalt eines anderen Herrschers geraten.
Dadurch wurde aber nicht nur der gesamte Herrschaftsverband des König-
reichs seiner Spitze, sondern auch das gekrönte Oberhaupt seiner Handlungs-
fähigkeit beraubt. Ein gefangener König war in der Gewalt der siegreichen
gegnerischen Seite fremden Entscheidungen und Vorgaben unterworfen, in
seiner Bewegungsfreiheit und seiner königlichen Repräsentation war er sehr
eingeschränkt. Beim Gegenübertreten der Herrscher wurde diese untergeord-
nete Position des gefangenen Königs deutlich. Es konnte aber auch das Ab-
hängigkeitsverhältnis aus bestimmten Gründen heruntergespielt wurde und
sich die beiden Könige ebenbürtig begegneten. Im Folgenden sind diejeni-
gen Begebenheiten heranzuziehen, bei denen zeremonielle und symbolische
Handlungen zur differenzierten Darstellung der Könige bzw. zur Erreichung
bestimmter Ziele eingesetzt wurden. Es ist der Frage nachzugehen, inwieweit
bei einer Begegnung königliches Verhalten durch Beharren oder Verweigern
höfischer Zeremonien erkennbar ist und in welchen Situationen ein ritterlicher
Verhaltenskodex und Achtung vor dem Amt und der Würde des Königs die
Behandlung des Gefangenen beeinflussen konnte. Dies sei zunächst an einem
der prominentesten Gefangenen des späten Mittelalters, Johann II. von Frank-
reich, dargestellt, der sich von 1356-1360 und 1364 in englischem Gewahrsam
befand.

1.5.1. Die Gefangenschaft und die Freilassung
König Johanns II. von Frankreich
Für die Beurteilung des zeremoniellen Umgangs der Herrscher miteinander
sind hier weniger die Haftbedingungen, die Versorgung und Ausstattung*
des französischen Königs im Alltag bzw. Begegnungen zu Verhandlungen in
kleinem Kreise' von Interesse. Vielmehr sollen die Ereignisse in den Vorder-
grund gerückt werden, bei denen durch königliches Auftreten und Verhalten
der Status des gefangenen Königs manifestiert bzw. geändert wurde. So sei für
den Zeitraum seiner Gefangenschaft verstärkt auf die Formen und Ereignisse

1 DuNBABiN, Captivity and Imprisonment, S. 114-129; CoNTAMiNE, Art. »Kriegsgefangene«,
in: LexMa 5, Sp. 1528-1531; GAUVARD, Art. »Prison, prisoner«, in: Encyclopedia of the
Middle Ages 2, Sp. 1186; GiVEN-WtLsoN/BERiAC-LAiNE, Les prisonniers de la bataille de
Poitiers, S. 225f.
2 Detailliert unterrichtet sind wir über die Haushaltsausgaben während der Gefangenschaft
durch die Verzeichnisse von Johanns Kaplan Denis de Collors: Notes et Documents rela-
tifs ä Jean, Roi de France, et ä sa captivite en Angleterre, ed. Duc d'Aumale, S. 72-160 (Ze-
itraum vom 25. Dez. 1358 bis 1. Juli 1359); Journal de la Depense du Roi Jean en Angleterre,
ed. Douet-d'Arcq, in: Les comptes de l'Argenterie, S. 193-284 (Zeitraum vom 1. Juli 1359 bis
8. Juli 1360).
3 ßENNETT, Isabelle of France, S. 222.
 
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