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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
nicht bei der Ableistung des Vasalleneides, sondern drangen, wie im Falle
Aragons, auf Annexion und Integration des untergebenen Königreichs. Damit
gab es keine weitere königliche Würde im eigenen Machtbereich, und die Kro-
nen konnten vereinigt werden.
Auch wenn bei der Belehnung von Königen gezielt Gesten und Zeichen
des Entgegenkommens, der Mäßigung, der Balance gesetzt wurden, darf für
die zwischenstaatlichen Lehnsakte im Spätmittelalter in der Möglichkeit, eine
Ungleichheit darzustellen, eine der Triebfedern gesehen werden: Im rituellen
Akt sollte institutionelle Ungleichheit stabilisiert werden. Die Begriffe Lehns-
wesen und Feudalismus sind in diesem Zusammenhang nur in übertragenem
Sinne für die Gestaltung auswärtiger Beziehungen anwendbar.'Folgerungen,
wie beispielsweise eine beschränkte Rechtsfähigkeit des Belehnten, sind damit
nicht zu rechtfertigen.' ^
Die Bandbreite historisch-politischer Verhältnisse, die durch die Leistung
eines Homagiums bestätigt und bekräftigt wurden, ist nicht allein mit lehns-
rechtlichen Begründungen zu erfassen. Durch solche Rechtsrituale konnte ei-
ner Gesellschaft, die einem ständigem Wandel unterworfen war. Halt geboten
werden, indem man sich bestehender Abhängigkeiten und Allianzen verge-
wisserte. Durch die Zeremonie ging auf Grund der lehnsrechtlichen Bedeu-
tung des Homagiums eine völkerrechtlich relevante Bindung hervor. Treueid,
Lehnseid und Investitur sollten einen politisch instabilen süüMS veran-
kern, dem asymmetrischen Augenblick Dauer verleihen. Doch seit Beginn des
14. Jahrhunderts verlor dieses Instrument an Bedeutung, in einem Europa der
nach innerer wie äußerer Souveränität strebenden Königreiche.
164 Speziell zum Gebrauch des Begriffs »Feudalismus« in deutscher, englischer und französisch-
sprachiger Literatur in reicher Bedeutungsvielfalt: KucHENBucH, »Feudalismus«, S. 319-321.
165 Dies impliziert allerdings FiscH, Krieg und Friede im Friedensvertrag, S. 535 bei seiner Be-
handlung der lehnsrechtlichen Vertragsbeziehungen des europäischen Mittelalters. Er betont
allerdings zu Recht die Vielfalt der Verhältnisse völkerrechtlich wirksamer Lelmsbindungen.
Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
nicht bei der Ableistung des Vasalleneides, sondern drangen, wie im Falle
Aragons, auf Annexion und Integration des untergebenen Königreichs. Damit
gab es keine weitere königliche Würde im eigenen Machtbereich, und die Kro-
nen konnten vereinigt werden.
Auch wenn bei der Belehnung von Königen gezielt Gesten und Zeichen
des Entgegenkommens, der Mäßigung, der Balance gesetzt wurden, darf für
die zwischenstaatlichen Lehnsakte im Spätmittelalter in der Möglichkeit, eine
Ungleichheit darzustellen, eine der Triebfedern gesehen werden: Im rituellen
Akt sollte institutionelle Ungleichheit stabilisiert werden. Die Begriffe Lehns-
wesen und Feudalismus sind in diesem Zusammenhang nur in übertragenem
Sinne für die Gestaltung auswärtiger Beziehungen anwendbar.'Folgerungen,
wie beispielsweise eine beschränkte Rechtsfähigkeit des Belehnten, sind damit
nicht zu rechtfertigen.' ^
Die Bandbreite historisch-politischer Verhältnisse, die durch die Leistung
eines Homagiums bestätigt und bekräftigt wurden, ist nicht allein mit lehns-
rechtlichen Begründungen zu erfassen. Durch solche Rechtsrituale konnte ei-
ner Gesellschaft, die einem ständigem Wandel unterworfen war. Halt geboten
werden, indem man sich bestehender Abhängigkeiten und Allianzen verge-
wisserte. Durch die Zeremonie ging auf Grund der lehnsrechtlichen Bedeu-
tung des Homagiums eine völkerrechtlich relevante Bindung hervor. Treueid,
Lehnseid und Investitur sollten einen politisch instabilen süüMS veran-
kern, dem asymmetrischen Augenblick Dauer verleihen. Doch seit Beginn des
14. Jahrhunderts verlor dieses Instrument an Bedeutung, in einem Europa der
nach innerer wie äußerer Souveränität strebenden Königreiche.
164 Speziell zum Gebrauch des Begriffs »Feudalismus« in deutscher, englischer und französisch-
sprachiger Literatur in reicher Bedeutungsvielfalt: KucHENBucH, »Feudalismus«, S. 319-321.
165 Dies impliziert allerdings FiscH, Krieg und Friede im Friedensvertrag, S. 535 bei seiner Be-
handlung der lehnsrechtlichen Vertragsbeziehungen des europäischen Mittelalters. Er betont
allerdings zu Recht die Vielfalt der Verhältnisse völkerrechtlich wirksamer Lelmsbindungen.