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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0076

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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

400 000 Gulden Kölnischer Währung zu erhoffen hatte, gerierte er sich in
Koblenz als Kaiser, dem der englische König nicht ebenbürtig ist. In Koblenz
nahm Ludwig die Positur der kaiserlichen wc/esfas ein und schmückte sich mit
sämtlichen imperialen Insignien. Von keinem anderen Hoftag Ludwigs wird
eine derartige Fülle berichtet.'^ Bei der feierlichen Sitzung vor St. Kastor saß
er höher als der englische König.Noch expliziter vermitteln die Formulie-
rungen in der Bestallungsurkunde für Eduards Reichsvikariat den imperialen
Anspruch Ludwigs. Darin wird seine Machtfülle als Gewalt eines »Königs der
Könige« wörtlich beschrieben.'^ Doch der Gedanke, diese Titulatur des kai-
serlichen Amtes in Anlehnung an das bekannte Zeremoniell des Fußkusses zu
inszenieren, übersteigt doch die durchaus innovativen Handlungsweisen Lud-
wigs des Bayern (Kaiserkrönung durch den Volkstribun, Klostergründung als
Gebannter, Einführung des Doppelkönigtums für das Reich etc.), der für sym-
bolische Akte aufgeschlossen war und sie für seine eigenen Interessen durch-
aus zu nutzen wusste.
Plausibel scheint hingegen, dass von deutscher Seite im Rahmen der Verlei-
hung des Reichsvikariats an Eduard eine Art Kniefall oder ähnliches verlangt
wurde, die später zum Fußkuss stilisiert wurde. Durch mündliche Tradition
wurde dies vielleicht mit dem starken Bild des Fußkusses verbunden, das im
Gedächtnis haften blieb. Sollte es sich insgesamt um eine literarische Erwei-
terung des eigentlichen Treffens von Koblenz handeln, so gewährt Walsing-
hams Episode durch seine plausibel dargestellten Vorstellungen Einblick in
die Entstehung, Gestaltung und (Nicht-) Durchführung königlicher Gesten. Es
zeigt sich, dass gerade beim Zusammenkommen von Herrschern deren Posi-
tionierung durch symbolische Akte notwendig war, und dass sie, soweit sie
nicht tatsächlich erfolgt waren, auch nachträglich ergänzt werden konnten,
um Standpunkte zu veranschaulichen. Ferner gibt sie Auskunft über die Wert-
schätzung, die diejenigen, deren Schriften uns heute überliefert sind, ritueller
Zeichensetzung zumaßen.

1.1.2. Text und Ritual.
Die Bedingtheit historischer Erkenntnis
Ausgehend vom vielfältigen Bild der Begegnung zwischen dem Reichsober-
haupt und dem König von England im Jahre 1338, das die Autoren und Chro-
nisten unterschiedlicher Provenienz zeichneten, sei nun auf das Spannungs-
feld zwischen zeremonieller bzw. ritueller Handlung und deren textlicher
Wiedergabe eingegangen. So gilt es, Herrschertreffen als intendierte komplexe
Kommunikationsakte der Politikgestaltung aufzufassen, bei denen nicht nur
zwischen den Königen und deren Parteien selbst Inhalte vermittelt wurden,

182 PETERSOHN, Über monarchische Insignien und ihre Funktion im mittelalterlichen Reich, S. 70.
183 Flandrische Chronik, ed. Böhmer, in: FRG, Bd. 1, S. 190.
184 Frankfurt, 1338 Sept. 15: Das deutsch-englische Bündnis, ed. Bock, Nr. 530, S. 121: Qtn'n pofen-
CM mgis regM?7!, a procetü'f et egmütar n'uas [verbessert aus unius] et on'go caias ÜFH sfafas
raanen's Hsaiah's, sa?aas [...].
 
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