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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0112

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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

gends ins Gehege zu kommen, die Grenze bis zum Rhein zu verschieben bzw.
weitreichende andere Zugeständnisse zu machen.
Diese uneindeutige Politik Aibrechts gegenüber den Kurfürsten und der Ka-
petingermonarchie bezeichnete Alfred Hessel als ein »politisches Doppelspiel«,
bei dem Albrecht die Kräfte des Reichs in deren Bemühen um die Bewahrung
von Reichsgut getäuscht hätte und unter Zurückstellung von Reichsinteressen
den Schulterschluss mit Frankreich gesucht habeÄ Doch von einem »Doppel-
spiel« kann weder im Hinblick auf die schriftlich erwiesenen Parteiungen noch
bezüglich der zeremoniellen Inszenierung konsensualer Gruppen die Rede
sein. Zu kontrastreich wurde ein deutsch-französischer Konflikt dargestellt,
der in den beurkundeten Regierungshandlungen eines Herrschers nur die Äu-
ßerungen einer wohlberechneten Machtpolitik sehen will, die wesentlich stär-
ker auch von Opportunitätserwägungen beeinflusst war. Denn während Al-
brecht mit dem Herrscher des westlichen Nachbarreichs über ein Ehebündnis
mit dessen Tochter bzw. Schwester verhandeln ließ, unterstützte er gleichzeitig
die Gegner Frankreichs wie den Grafen Amadeus von Savoyen, den Grafen
von Flandern oder den Herzog von BrabantA
So lässt sich zusammenfassend sagen, dass Aibrechts Versuch die Reichs-
grenze im Westen zu sichern, ebenso scheiterte wie sein Bestreben, die Kurfürs-
ten zu einem habsburgfreundlichen Handeln zu bringen. Das Grenzsteinset-
zen der Könige verschärfte den Konflikt Aibrechts mit den Fürsten des Reichs
und führte zu einem Aufbrechen der Konsensfassade, die Albrecht gegenüber
Frankreich aufzubauen suchte. Dies brachte ihm in den Verhandlungen Nach-
teile ein, die er noch in Quatre-Vaux zu spüren bekam.

1.2.2. Verhandlungen und Formen der Konsensbildung
Verhandlungen, also zielgerichtete Gespräche zweier oder mehrerer Parteien,
in der Absicht, gemeinsame Positionen als Basis für späteres Verhalten oder
Handeln zu finden, wurden im Bereich der Außenpolitik im Spätmittelalter
meist von Gesandtschaften geführt. Aufgrund der großen Distanzen zwischen
den einzelnen Herrschaftssitzen und der oft monatelangen Dauer der Ver-
handlungen war daher eine Entsendung von Prokuratoren und Stellvertretern
üblich. Doch bereits bei diesen bevollmächtigten Vertretern eines Königs kam
die Bedeutung repräsentativen Auftretens zur Geltung. Dies wurde bereits
in vielen Abhandlungen unter dem Gesichtspunkt des Gesandtschaftszere-
moniells untersucht.'^ Um so mehr tritt bei der Begegnung von zwei Herrschern
die gezielte Anwendung formaler Handlungsweisen bei Verhandlungen in den
Vordergrund, da es hierbei zur Interaktion königlicher Majestäten kam, de-

86 HESSEL, Jahrbücher unter König Albrecht I., S. 80f.
87 In diesem Zusammenhang verweist TRAUTz, Studien zur Geschichte und Würdigung König
Adolfs von Nassau, S. 179, auf die Richterrolle des Königs, die Albrecht gegenüber den Kur-
fürsten beansprucht habe.
88 Zum spätmittelalterlichen Gesandtschaftszeremoniell zuletzt PLÖGER, England and the Ange-
vin Popes, S. 197-209.
 
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