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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0222

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218

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

1.5.2. Treffen mit gefangenen Königen im Vergleich
Als am 13. Dezember 1360 Johann II. in Paris feierlich unter einem Baldachin
einzog, ritt er zwar als König ein, doch hatte sein Ansehen gelitten/' Dazu tru-
gen neben der eigentlichen Gefangenschaft auch die tatkräftige Regentschaft
seines Sohnes Karls (V.) und dessen massgebliche Beteiligung bei der Nieder-
schlagung des Bürgerkriegs bei. Verglichen mit anderen gefangenen Königen
des späten Mittelalters konnte er seine ehemalige Stellung als König allerdings
nahezu uneingeschränkt zurückgewinnen. In den meisten Fällen führte die Ge-
fangenschaft zu einem unauslöschlichen Makel, der das Ansehen eines Königs
innerhalb wie außerhalb seines Königreichs untergrub. Daher ist es zielführend,
einige der Situationen in der Gefangenschaft von Königen heranzuziehen, um
zu zeigen, dass eine Statusminderung nicht allein durch die physischen, oft
harten Bedingungen der Haft, sondern vor allem auch durch deren zeremo-
nielle und rituelle Formen bewirkt wurde. Doch interessieren uns hier nicht
die Fälle von Königen, die in der Abgeschiedenheit der Kerker zugrunde gin-
gen oder umgebracht wurden, wie es z. B. den englischen Königen Eduard II.,
Heinrich VI. und Eduard V. oder Richard II. erging. ^ Im Vordergrund steht der
öffentliche Umgang mit gefangenen Königen.
Wie Monarchen königliche Gefangene behandelten, hing sowohl von der
Art des Konflikts selbst ab wie auch von der Weise, in der es zur Gefangen-
nahme kam. Während auf den ersten Aspekt, die Konfliktherde, hier nicht
eingegangen werden kann, ohne dabei die jeweiligen historischen Kontexte in
unangemessener Weise zu verkürzen, ermöglicht der zweite Aspekt eine Un-
terscheidung zwischen Gefangenschaften in Folge einer verlorenen Schlacht
und Gefangenschaften, die durch gezielte, gegebenenfalls handstreichartige
Zugriffe auf einen Monarchen zustande kamen. Für letzteres wäre beispiels-
weise auf die tumultartige Verhaftung Karls II. von Navarra im Jahre 1356 und
die zweite Gefangennahme Wenzels von Böhmen im Jahre 1402 einzugehen,
bei der jener von seinem Bruder unter immer strenger werdenden Hausarrest
gestellt wurde. Die zuerst genannte Art der Inhaftnahme lehnte sich dabei an
die im Mittelalter ausgebildeten Formen des Umgangs mit den Kriegsgefange-
nen bzw. Geiseln an.
Durch offene Feldschlacht kamen außer Johann II. von Frankreich (1356),
auch Friedrich der Schöne von Habsburg (1322), Magnus Eriksson von Schwe-
den (1365) und Albrecht von Mecklenburg (1389) in Gefangenschaft. Vergli-
chen mit der hohen Anzahl von Schlachten im Spätmittelalter kam eine Ge-
fangennahme infolge einer Schlacht allerdings selten vor, war doch dazu eine
Einkesselung des Gegners oder ein unerwartetes Manöver notwendig. Bei der

Berry), sein Bruder, Ludwig von Bourbon (der Herzog von Orleans), Pierre d'Alengon und
Jean d'Evreux; zur Gefangenschaft des Herzogs von Berry: LeHoux, Jean de Berri, Bd. 1, S. 163,
165-212.
73 Jean Froissart, ed. Kervyn de Lettenhove, Bd. 6, S. 323; Jean le Bel, Chronique, ed. Viard/De-
prez, S. 274.
74 PFAFF, Der gefangene König, S. 21f.
 
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