Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0031

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

27

rituelles Verhalten ausgegangen werden, das sich nur sporadisch schriftlich
greifen lässt. Es gab konkrete Vorstellungen, was unter einer Begrüßung in der
Art der Könige (morr myz'o) zu verstehen war, auch wenn die Ausführungen
durchaus unterschiedlich gehandhabt werden konnten/* Besonders aussage-
kräftig für den instrumentellen Einsatz zeremoniellen Wissens ist ein geziel-
ter Regelverstoß, also eine akzentuiert abweichende Verwendung von Formen
bei der Begegnung von Herrschern. So war es eine eindeutige Aussage, wenn
Herrscher nicht ranggemäß behandelt wurden. Beispielsweise empfing Lud-
wig von Ungarn Herzog Albrecht von Österreich, der von in Györ/Raab im
Februar 1356 »königlich«, was diesen in besonderer Weise ehrte V

»Ritual«, »Zeremoniell«, »Protokoll«
Für die komplexen Abläufe eines Herrschertreffens können die Begriffe »Ritual«
und »Zeremoniell« erkenntnisfördernd eingesetzt werden, auch wenn sie von
Zeitgenossen des mittelalterlichen Geschehens nicht verwendet wurden. Doch
um von heuristischem Wert für die Beschreibung und Deutung monarchischer
Begegnungen zu sein, sind sie als Arbeitsbegriffe zu präzisieren und abzugren-
zen. Für »Ritual« ist im Folgenden von einer komplexen, aus mehreren Ele-
menten bestehenden, formal normierten und symbolischen Handlungssequenz
auszugehen, die eine spezifische Wirkmächtigkeit besitzt."' An vier Punkten
ist nun darzustellen, inwieweit Herrschertreffen als rituelle Handlungen ver-
standen werden können/bevor auf die Begriffe »Zeremoniell« und »Protokoll«
einzugehen ist.
Zunächst gilt, dass für Rituale bei Herrschertreffen die Regelhaftigkeit wie
auch Wiedererkennbarkeit wichtige formgebende Prinzipien waren. Der Grad
der Normierung mochte gerade bei Handlungen mit hohem liturgischem An-
teil wie Krönungen stärker in den Vordergrund treten, doch eine grundlegende
konventionalisierte Handhabung von Rollen und Zuständigkeiten sowie zen-
traler Handlungsabläufe sorgte dafür, dass Herrschertreffen auch als eigene
Handlungsform wiedererkennbar waren. Durch konventionalisiertes Verhal-
ten, also durch die Verwendung von akzeptierten Gesten und Worten, konn-
te die Wahl zwischen prinzipiell unendlich vielen möglichen Verhaltens- und
Handlungsweisen vereinfacht werden. Ein hoher Formalisierungsgrad führte

72 So ließ Eduard III. von England den Leichnam König Johanns II. von Frankreich durch ein
Ehrengeleit »auf königliche Weise« von London nach Dover geleiten. Thomas Walsingham,
Historia Anglicana, ed. Riley, Bd. 1, S. 299: Dg oFiin Regis irains exe^aias Rex Angiiae in dioersis
iocis soiemnifer Jecii ceiei7rnri, ac as^ae Douoninn sais sampfis ^er reuerendos oiros corpas ejas more
regio condacijecii.
73 Annales Regum Hungariae, ed. Pray Bd. 2, S. 101: Ladouicas paacos posf dies, ^aanr^edas in-
siaaraiam esset, in Hnngariam reoerfif ei AiFerfam regio more Jaarini irospiiem accepii.
74 Vgl. dazu die »engere Definition« von Ritual bei STOLLBERG-RnuNGER, Symbolische Kommu-
nikation in der Vormoderne, S. 498-527, insbes. S. 501f.; allgemein: BELLiGER/KRiEGER (Hg.),
Ritualtheorien, S. 7-9; WuLp/ZiRFAS (Hg.), Die Kultur des Rituals.
 
Annotationen