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Einleitung
dazu, die Unüberschaubarkeit und damit Unsicherheiten zu reduzieren, und
machte das Erreichen der gewünschten Zugeständnisse planbarer/"
An diesen handlungsstabilisierenden Aspekt schließt zweitens der Aspekt
der Stabilisierung politischer und sozialer Beziehungen an. Gerade unter dem
Gesichtspunkt der »politisch wirksamen Handlungen« führen Rituale die Art
und Weise personeller wie politischer Bindungen vor Augen. Im Vollzug der
rituellen Handlung wurden soziale Beziehungen aufgebaut, aktualisiert und
verstetigt, wodurch ein Bild der sozialen Welt veranschaulicht wurde, wie es
dauerhaft intendiert war. Stellvertretend sei hier der Kuss von Königen ge-
nannt, der sich zeitlich auf nur wenige Augenblicke ausdehnte, doch ein Ver-
hältnis von Nähe und enger freundschaftlich familiärer Bindung darstellte. In
diesem Bereich liegt der Begriff des Rituals dem der Ritualisierung am nächs-
ten, also einer bewussten Formalisierung und Analogisierung von Verhalten,
um innerhalb einer Gruppe oder innerhalb eines Handlungsablaufs eine er-
folgreiche Durchführung zu erreichen. " Die Untersuchung von vergangenen
Inszenierungstechniken ermöglicht somit einen Einblick in rekonstruierbare
soziale Wirklichkeit. So ist diese Untersuchungsperspektive insofern von heu-
ristischem Wert, als sie eine der wenigen Möglichkeiten bietet, vergangene
Lebenswirklichkeit zu erfassen. Somit aktualisierte, bestätigte und verstärkte
eine Inszenierung auf visuell und vielfach ästhetisch ansprechende Weise das
gesellschaftliche Gesamtgefüge in Verbindung mit weiteren Zeichen und Sym-
bolen als gesellschaftlich notwendiges Bindemittel/'
Drittens sind Herrschertreffen wie Rituale komplexe Kommunikationshand-
lungen. ^ Dabei sind sie intentionale und vom alltäglichen Handeln herausge-
hobene Aufführungen, in denen politisch zentrale Aussagen gemacht werden.
Gerade auch aufwendige Herrschertreffen kommen nicht beliebig oder spon-
tan zustande, sondern werden unter Berücksichtigung der politischen Gege-
benheiten lange Zeit von beiden Seiten geplant und unter Auswahl bestimmter
Ausstattung und Attribute durchgeführt. Bestimmte Zeichen markieren dabei
Anfang, Ende und Ort des Geschehens. Sie werden öffentlich, feierlich und
demonstrativ inszeniert. Außenstehenden wurde das Herrschertreffen durch
den oft zur Schau getragenen Prunk als außergewöhnliches höfisches Ereig-
nis vermittelt, während für die Beteiligten selbst der persönliche Austausch im
Zentrum stand. Doch neben einem oftmals als Höhepunkt inszenierten Zwie-
gespräch der Monarchen fanden auf unterschiedlichen Ebenen Prozesse der
75 Für eine ausführliche Diskussion des Ritualbegriffs vgl. WERLEN, Ritual und Sprache;
DöRRjen, Poetik des Rituals, S. 73-75.
76 BELL, Ritual Theory, Ritual Practice, S. 21f.
77 Damit steht Bedeutung des Symbolischen auch für die ex post vollzogene Konstruktion von
Sinn: CASSiRER, Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissenschaften, in:
DERs., Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, S. 169-200; vgl. KROis, Cassirer, S. 123-131.
78 KNUF, Ritualisierte Kommunikation und Sozialstruktur, S. 3-9, sieht im Kommunikations-
aspekt die Gemeinsamkeit der ethnologischen, anthropologischen und soziologischen
Standpunkte; allgemein zur Bedeutung als Medium der Kommunikation: KERTZER, Ritual,
Politics and Power; MutR, Ritual in Early Modern Europe; BELL, Ritual, Perspectives and
Dimensions.
Einleitung
dazu, die Unüberschaubarkeit und damit Unsicherheiten zu reduzieren, und
machte das Erreichen der gewünschten Zugeständnisse planbarer/"
An diesen handlungsstabilisierenden Aspekt schließt zweitens der Aspekt
der Stabilisierung politischer und sozialer Beziehungen an. Gerade unter dem
Gesichtspunkt der »politisch wirksamen Handlungen« führen Rituale die Art
und Weise personeller wie politischer Bindungen vor Augen. Im Vollzug der
rituellen Handlung wurden soziale Beziehungen aufgebaut, aktualisiert und
verstetigt, wodurch ein Bild der sozialen Welt veranschaulicht wurde, wie es
dauerhaft intendiert war. Stellvertretend sei hier der Kuss von Königen ge-
nannt, der sich zeitlich auf nur wenige Augenblicke ausdehnte, doch ein Ver-
hältnis von Nähe und enger freundschaftlich familiärer Bindung darstellte. In
diesem Bereich liegt der Begriff des Rituals dem der Ritualisierung am nächs-
ten, also einer bewussten Formalisierung und Analogisierung von Verhalten,
um innerhalb einer Gruppe oder innerhalb eines Handlungsablaufs eine er-
folgreiche Durchführung zu erreichen. " Die Untersuchung von vergangenen
Inszenierungstechniken ermöglicht somit einen Einblick in rekonstruierbare
soziale Wirklichkeit. So ist diese Untersuchungsperspektive insofern von heu-
ristischem Wert, als sie eine der wenigen Möglichkeiten bietet, vergangene
Lebenswirklichkeit zu erfassen. Somit aktualisierte, bestätigte und verstärkte
eine Inszenierung auf visuell und vielfach ästhetisch ansprechende Weise das
gesellschaftliche Gesamtgefüge in Verbindung mit weiteren Zeichen und Sym-
bolen als gesellschaftlich notwendiges Bindemittel/'
Drittens sind Herrschertreffen wie Rituale komplexe Kommunikationshand-
lungen. ^ Dabei sind sie intentionale und vom alltäglichen Handeln herausge-
hobene Aufführungen, in denen politisch zentrale Aussagen gemacht werden.
Gerade auch aufwendige Herrschertreffen kommen nicht beliebig oder spon-
tan zustande, sondern werden unter Berücksichtigung der politischen Gege-
benheiten lange Zeit von beiden Seiten geplant und unter Auswahl bestimmter
Ausstattung und Attribute durchgeführt. Bestimmte Zeichen markieren dabei
Anfang, Ende und Ort des Geschehens. Sie werden öffentlich, feierlich und
demonstrativ inszeniert. Außenstehenden wurde das Herrschertreffen durch
den oft zur Schau getragenen Prunk als außergewöhnliches höfisches Ereig-
nis vermittelt, während für die Beteiligten selbst der persönliche Austausch im
Zentrum stand. Doch neben einem oftmals als Höhepunkt inszenierten Zwie-
gespräch der Monarchen fanden auf unterschiedlichen Ebenen Prozesse der
75 Für eine ausführliche Diskussion des Ritualbegriffs vgl. WERLEN, Ritual und Sprache;
DöRRjen, Poetik des Rituals, S. 73-75.
76 BELL, Ritual Theory, Ritual Practice, S. 21f.
77 Damit steht Bedeutung des Symbolischen auch für die ex post vollzogene Konstruktion von
Sinn: CASSiRER, Der Begriff der symbolischen Form im Aufbau der Geisteswissenschaften, in:
DERs., Wesen und Wirkung des Symbolbegriffs, S. 169-200; vgl. KROis, Cassirer, S. 123-131.
78 KNUF, Ritualisierte Kommunikation und Sozialstruktur, S. 3-9, sieht im Kommunikations-
aspekt die Gemeinsamkeit der ethnologischen, anthropologischen und soziologischen
Standpunkte; allgemein zur Bedeutung als Medium der Kommunikation: KERTZER, Ritual,
Politics and Power; MutR, Ritual in Early Modern Europe; BELL, Ritual, Perspectives and
Dimensions.