Belehnungsakte zwischen Königen
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ständigkeit auf verschiedene historische oder landesspezifische Einzelheiten
zurückgriffen. Das im spätmittelalterlichen Rechtsleben verankerte Modell ei-
ner Belehnung von Vasallen konnte allerdings zwischen zwei Königen nicht
analog übertragen werden, da bestimmte Ehrenvorbehalte, wie z. B. der Ge-
brauch von Zeremonialkissen im Falle Jakobs II. von Mallorca, zu berücksich-
tigen waren. Eine eigene Handlungsform der Belehnung von Königen konn-
te sich im Spätmittelalter nicht ausbilden, da derartige Fälle zu selten und zu
verschieden waren, teils nur kleinere Herrschaften, teils gesamte Königreiche
betrafen. Die jeweils herangezogenen Handlungsmodelle orientierten sich an
regionalen Belehnungsriten, bestehenden nationalen und historischen Tradi-
tionen wie persönlichen Zielvorstellungen der Beteiligten.
Somit sind die persönlichen Belehnungsakte von Königen in ihrem Wesen
nicht als Lehnsverhältnisse mit Güterübertragung zu verstehen, sondern als
Rückgriff auf ein umfassenderes Prinzip persönlicher Bindung, das im Lehns-
akt seinen Ausdruck fand. Die Bereitschaft, die Gesten jeweils neu zu gestalten,
wie sie im frühen und hohen Mittelalter vorhanden war, ging durch eine immer
engere Verknüpfung der Homagialakte mit dem Lehnsrecht verloren. Heinrich
Mitteis führte bereits die Vielfalt der Anwendungsbereiche der Eehnsgesten auf,
bei denen es zu keinem Austausch kam: Die Form der Unterwerfung fand sich
in der Kapitulation des Richard Löwenherz gegenüber Kaiser Heinrich VI., mit
der er sich aus der deutschen Gefangenschaft lösen musste.'"' Ebenso wurde
Mannschaft als Abschluss eines Prozessverfahrens oder zur Bestärkung eines
Prozessvergleichs oder in schuldrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen ge-
leistet.^ Daraus schloss Mitteis, dass es sich beim Homagium in der allgemei-
nen Weise um eine »eigentümliche Form der Schuldbegründung« handeln
musste, bei der nicht notwendigerweise ein Lehnswechsel erfolgen musste.'""
Echte Eehnsherrschaft wurde im internationalen Verkehr dadurch nicht be-
gründet. Soweit der Begriff der Herrschaft ein Mindestmaß an Intensität als
»wesensnotwendig« voraussetzt, folgt daraus, dass durch die sporadischen
Lehnsnahmen (Mallorca, Schottland, Böhmen) oder regelmäßigen Lehnsnah-
men (England) ein Herrschaftsanspruch und die königliche Lehnshoheit an-
erkannt wurde. Der Formengebrauch diente allerdings der Darstellung einer
Allianz ungleicher Partner und war Grundlage für die rechtliche Abhängigkeit
sowie beiderseitige Verpflichtung.^
Der zahlenmäßige Rückgang der persönlichen Lehnsakte durch Herrscher
lässt sich auf zwei Arten erklären. Einerseits wurde es der Würde eines Kö-
nigs nicht mehr für angemessen erachtet, eine Abhängigkeit öffentlich zu de-
monstrieren. Könige suchten daher eine Belehnung zu umgehen. Andererseits
beließen es Könige, die mächtig genug waren, ein Homagium zu erzwingen.
160 Roger Hoveden verwendete hier den Begriff iwrMgzüm allerdings nur in der Überschrift.
Roger Hoveden, Bd. 3, S. 225.
161 Dazu: PLATON, Uhomage feodal comme moyen de contracter des obligations privees.
162 MiTTEis, Lehnsrecht und Staatsgewalt, S. 488.
163 BiTTNER, Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Er geht dabei jedoch nicht
vertieft auf die Formulierungen der überlieferten Eidformeln im gesamteuropäischen Ver-
gleich ein.
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ständigkeit auf verschiedene historische oder landesspezifische Einzelheiten
zurückgriffen. Das im spätmittelalterlichen Rechtsleben verankerte Modell ei-
ner Belehnung von Vasallen konnte allerdings zwischen zwei Königen nicht
analog übertragen werden, da bestimmte Ehrenvorbehalte, wie z. B. der Ge-
brauch von Zeremonialkissen im Falle Jakobs II. von Mallorca, zu berücksich-
tigen waren. Eine eigene Handlungsform der Belehnung von Königen konn-
te sich im Spätmittelalter nicht ausbilden, da derartige Fälle zu selten und zu
verschieden waren, teils nur kleinere Herrschaften, teils gesamte Königreiche
betrafen. Die jeweils herangezogenen Handlungsmodelle orientierten sich an
regionalen Belehnungsriten, bestehenden nationalen und historischen Tradi-
tionen wie persönlichen Zielvorstellungen der Beteiligten.
Somit sind die persönlichen Belehnungsakte von Königen in ihrem Wesen
nicht als Lehnsverhältnisse mit Güterübertragung zu verstehen, sondern als
Rückgriff auf ein umfassenderes Prinzip persönlicher Bindung, das im Lehns-
akt seinen Ausdruck fand. Die Bereitschaft, die Gesten jeweils neu zu gestalten,
wie sie im frühen und hohen Mittelalter vorhanden war, ging durch eine immer
engere Verknüpfung der Homagialakte mit dem Lehnsrecht verloren. Heinrich
Mitteis führte bereits die Vielfalt der Anwendungsbereiche der Eehnsgesten auf,
bei denen es zu keinem Austausch kam: Die Form der Unterwerfung fand sich
in der Kapitulation des Richard Löwenherz gegenüber Kaiser Heinrich VI., mit
der er sich aus der deutschen Gefangenschaft lösen musste.'"' Ebenso wurde
Mannschaft als Abschluss eines Prozessverfahrens oder zur Bestärkung eines
Prozessvergleichs oder in schuldrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen ge-
leistet.^ Daraus schloss Mitteis, dass es sich beim Homagium in der allgemei-
nen Weise um eine »eigentümliche Form der Schuldbegründung« handeln
musste, bei der nicht notwendigerweise ein Lehnswechsel erfolgen musste.'""
Echte Eehnsherrschaft wurde im internationalen Verkehr dadurch nicht be-
gründet. Soweit der Begriff der Herrschaft ein Mindestmaß an Intensität als
»wesensnotwendig« voraussetzt, folgt daraus, dass durch die sporadischen
Lehnsnahmen (Mallorca, Schottland, Böhmen) oder regelmäßigen Lehnsnah-
men (England) ein Herrschaftsanspruch und die königliche Lehnshoheit an-
erkannt wurde. Der Formengebrauch diente allerdings der Darstellung einer
Allianz ungleicher Partner und war Grundlage für die rechtliche Abhängigkeit
sowie beiderseitige Verpflichtung.^
Der zahlenmäßige Rückgang der persönlichen Lehnsakte durch Herrscher
lässt sich auf zwei Arten erklären. Einerseits wurde es der Würde eines Kö-
nigs nicht mehr für angemessen erachtet, eine Abhängigkeit öffentlich zu de-
monstrieren. Könige suchten daher eine Belehnung zu umgehen. Andererseits
beließen es Könige, die mächtig genug waren, ein Homagium zu erzwingen.
160 Roger Hoveden verwendete hier den Begriff iwrMgzüm allerdings nur in der Überschrift.
Roger Hoveden, Bd. 3, S. 225.
161 Dazu: PLATON, Uhomage feodal comme moyen de contracter des obligations privees.
162 MiTTEis, Lehnsrecht und Staatsgewalt, S. 488.
163 BiTTNER, Die Lehre von den völkerrechtlichen Vertragsurkunden. Er geht dabei jedoch nicht
vertieft auf die Formulierungen der überlieferten Eidformeln im gesamteuropäischen Ver-
gleich ein.