Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0206

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreifen

herrschaft, was ja ein Mindestmaß an Herrschaft voraussetzen würde, zu spre-
chen, als von Lehnshoheit, die bestimmte Ansprüche und Rechte begründete.
Doch war es eben nicht der rechtliche Bezug zwischen Herr und Mann allein,
der die Bindung für beide Seiten sinnvoll erscheinen ließ. Zu Recht ist bereits
von Heinrich Mitteis im Zusammenhang der Belehnung der Hintergrund des
Friedens hervorgehoben worden.'^ Die Inkompatibilität von Homagium und
Feindschaft war eine stets beschworene, öffentlich mit lauter Stimme bekräf-
tigte Grundhaltung. Diese der Lehnsbindung innewohnende Bindungskraft
wies weit über Muster von Bindung wie Freundschaft, Bruderschaft oder Ver-
wandtschaft hinaus.^' Zur Deutung eines Lehnsaktes zwischen Königen muss
keine Analogie zu einer hierarchischen, aber durch Versprechen gesicherten
Beziehung angenommen werden, wie Jacques Le Goff dies tut, indem er das
Homagium anthropologisch in die Nähe einer Trauung, also zwischen zwei
sexuell verschiedene, hierarchisch zueinander stehende, aber dennoch gleich-
rangige Partner rückte.'^ Zu einem Verständnis der Bedeutung von rituellen
Lehnsakten zwischen Königen wird man allerdings ohne die jeweils detail-
getreue Analyse der einzelnen Vorgänge nicht kommen, und auch dort sind
vielfach nur wenige Anhaltspunkte überliefert, die Auskunft über persönliche
Beweggründe der einzelnen Monarchen geben, sich für die eine oder andere
Gestaltungsvariante zu entscheiden.
Die Tendenz von Seiten der lehnsnehmenden Könige, auf öffentliche Beleh-
nungen zu verzichten, ja vielfach auf deren Unterbleiben hin zu wirken, ent-
sprach den stärker wahr genommenen Nachteilen. Ganz vordergründig wurde
dadurch die königliche Macht des Mannes, wenn auch nur in Teilbereichen,
begrenzt. In einer rein rechtlichen Sphäre waren dadurch die Zuständigkeits-
bereiche geklärt.
So lässt sich resümieren, dass der Lehnseid zwischen Königen ein vorzügli-
ches Mittel war, hierarchische Bindungen zwischen Herrschern gleicher Rang-
stufen zu festigen. In den herangezogenen persönlichen Belehnungsakten zeigt
sich, dass die Gesten dabei nicht nur vassallitische Bindungen implizierten,
sondern andere soziale Beziehungen (Hm'dü'c, wiedergeben
konnten. Allerdings ging im Spätmittelalter die Zahl der durch Könige selbst
geleisteten Lehnseide stark zurück. Doch blieb das Instrument der stellver-
tretenden Lehnshuldigung zur Steuerung auswärtiger Beziehungen bis ins
18. Jahrhundert von Bedeutung.^
Der aus den inhomogenen, erzählenden und dokumentarischen Quellen
zusammengetragene Befund weist zudem darauf hin, dass die Beleimungen
jeweils individuell, geradezu spontan und mit großer kompositorischer Eigen-

156 MiTTEis, Lehnsrecht und Staatsgewalt, S. 484-487: »Das homagium hat novatorischen Cha-
rakter. Der Gläubiger verliert sein Recht zur Fehde und Rache, behält aber die Rechte an der
Person die auch der Herr über den Vasallen hat.« Vgl. dazu LEMARtNGtER, Recherches sur
l'hommage en marche, S. 82-85; jüngst VAN EiCKELS, »Homagium« and »Amicitia«, S. 133-
140.
157 HYAMS, Homage and Feudalism, S. 32.
158 LE GoFF, Le rituel symbolique de la vasslaite.
159 ScHNETTGER, Rang, Zeremoniell, Lehnssysteme, S. 179-195.
 
Annotationen