XII. Die innere Logik von Sünde, Schuld und Strafe
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Abwägungen nur innerhalb eines Bußbuches zu leisten. Insgesamt aber passt sich
diese Systematisierung in den obigen Befund ein. Die dortigen Analysen hatten ja
gerade gezeigt, dass allein der Verstoß gegen das Eheschließungsrecht diese Perso-
nengruppen verbindet, und zwar unabhängig davon, ob der Partner überhaupt
schon verheiratet ist oder nichts
Die Sachlage stellt sich bei den übrigen Formen der vor- und außerehelichen
Vergehen hingegen relativ eindeutig dar. Fast alle Bußbücher verhängen für die
Entlassung des Ehepartners mit anschließender neuer Eheschließung die Exkom-
munikation, das Redeverbot, das Verbot der Mahlgemeinschaft, ja das Bestattungs-
verbot, Strafen also, die auch das Inzestvergehen kennt und die wohl am schwers-
ten wiegen dürften. Nur wenige Vorschriften weichen von diesen Bestimmungen
ab und verordnen sieben- oder achtjährige Bußstrafen/ Gleichzeitig sind sie es, die
im internen Vergleich einzelner Bußbücher gewisse Unstimmigkeiten zutage för-
dern. Das pseudo-theodorische Bußbuch kann nämlich für dasselbe Vergehen so-
wohl die sieben- als auch die achtjährige Buße verhängen. Ob sich hier gegebenen-
falls der kasuistische Charakter der Bußbücher niederschlägt, der je nach Sachlage
durchaus unterschiedliche Strafmaße entwerfen kann, oder ob diese Abweichun-
gen den unterschiedlichen Überlieferungsstufen und den Unstimmigkeiten einzel-
ner Handschriftengruppen, ja einzelner Vertreter von Handschriften zuzumessen
sind, kann nicht entschieden werden. Eine Analyse bleibt hier hypothetisch, so-
lange nicht weitere kritische Editionen der einzelnen Bußbücher zur Verfügung ste-
hen/ Am Gesamtbild des Verhältnisses der Bußmaße aber ändert ein solcher Be-
fund nichts.
Wiederholt ein Büßer nach abgeleisteter Buße sein Vergehen, muss er seine Tat
doppelt sühnen/ Lediglich das außereheliche Verhältnis mit der abhängigen Frau
und das in Gedanken vollzogene Delikt werden mit deutlich geringeren Bußaufla-
gen belegt. In diesen Zusammenhängen lassen sich einmalig vierzigtägige bis ein-
jährige Bußzeiten ausmachen, wobei die Kompilatoren unterscheiden, ob die Frau
in das Geschehen involviert worden ist, warum die Tat nicht ausgeführt wurde oder
ob es zu einer Art von Befleckung gekommen ist. Im Vergleich am härtesten wird
das Vergehen bestraft, bei dem ein Mann eine Frau begehrt, er die Tat jedoch nicht
umsetzen kann, entweder weil die Frau sich verweigert oder weil sich keine Gele-
genheit ergeben hat. Mit deutlich geringeren Bußauflagen muss der rechnen, der
verunreinigt wird, weil er die Frau berührt oder mit ihr gesprochen hat. Begehrt er
jedoch die Handlung nur, ohne dass es zu einer Pollution kommt, wiegt die Tat noch
weniger. Am geringsten aber fällt das Bußmaß für die ungewollte Pollution aus. Die
Bußbücher, die nur den gewollten und nicht-vollzogenen Ehebruch thematisieren,
ohne an anderen Stellen auch das in Gedanken vollzogene Delikt zu verhandeln.
5 Vgl. Teil A, V.2.c, S. 167-169.
6 Vgl. Teil A, V.3.e, S. 182-186.
7 Reinhold Haggenmüller hält das für die Überlieferung der Beda-Egbertischen Bußbücher fest
(vgl. HAGGENMÜLLER, Überlieferung, S. 295f).
8 Vgl. Teil A, V.3.b, S. 173-175.
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Abwägungen nur innerhalb eines Bußbuches zu leisten. Insgesamt aber passt sich
diese Systematisierung in den obigen Befund ein. Die dortigen Analysen hatten ja
gerade gezeigt, dass allein der Verstoß gegen das Eheschließungsrecht diese Perso-
nengruppen verbindet, und zwar unabhängig davon, ob der Partner überhaupt
schon verheiratet ist oder nichts
Die Sachlage stellt sich bei den übrigen Formen der vor- und außerehelichen
Vergehen hingegen relativ eindeutig dar. Fast alle Bußbücher verhängen für die
Entlassung des Ehepartners mit anschließender neuer Eheschließung die Exkom-
munikation, das Redeverbot, das Verbot der Mahlgemeinschaft, ja das Bestattungs-
verbot, Strafen also, die auch das Inzestvergehen kennt und die wohl am schwers-
ten wiegen dürften. Nur wenige Vorschriften weichen von diesen Bestimmungen
ab und verordnen sieben- oder achtjährige Bußstrafen/ Gleichzeitig sind sie es, die
im internen Vergleich einzelner Bußbücher gewisse Unstimmigkeiten zutage för-
dern. Das pseudo-theodorische Bußbuch kann nämlich für dasselbe Vergehen so-
wohl die sieben- als auch die achtjährige Buße verhängen. Ob sich hier gegebenen-
falls der kasuistische Charakter der Bußbücher niederschlägt, der je nach Sachlage
durchaus unterschiedliche Strafmaße entwerfen kann, oder ob diese Abweichun-
gen den unterschiedlichen Überlieferungsstufen und den Unstimmigkeiten einzel-
ner Handschriftengruppen, ja einzelner Vertreter von Handschriften zuzumessen
sind, kann nicht entschieden werden. Eine Analyse bleibt hier hypothetisch, so-
lange nicht weitere kritische Editionen der einzelnen Bußbücher zur Verfügung ste-
hen/ Am Gesamtbild des Verhältnisses der Bußmaße aber ändert ein solcher Be-
fund nichts.
Wiederholt ein Büßer nach abgeleisteter Buße sein Vergehen, muss er seine Tat
doppelt sühnen/ Lediglich das außereheliche Verhältnis mit der abhängigen Frau
und das in Gedanken vollzogene Delikt werden mit deutlich geringeren Bußaufla-
gen belegt. In diesen Zusammenhängen lassen sich einmalig vierzigtägige bis ein-
jährige Bußzeiten ausmachen, wobei die Kompilatoren unterscheiden, ob die Frau
in das Geschehen involviert worden ist, warum die Tat nicht ausgeführt wurde oder
ob es zu einer Art von Befleckung gekommen ist. Im Vergleich am härtesten wird
das Vergehen bestraft, bei dem ein Mann eine Frau begehrt, er die Tat jedoch nicht
umsetzen kann, entweder weil die Frau sich verweigert oder weil sich keine Gele-
genheit ergeben hat. Mit deutlich geringeren Bußauflagen muss der rechnen, der
verunreinigt wird, weil er die Frau berührt oder mit ihr gesprochen hat. Begehrt er
jedoch die Handlung nur, ohne dass es zu einer Pollution kommt, wiegt die Tat noch
weniger. Am geringsten aber fällt das Bußmaß für die ungewollte Pollution aus. Die
Bußbücher, die nur den gewollten und nicht-vollzogenen Ehebruch thematisieren,
ohne an anderen Stellen auch das in Gedanken vollzogene Delikt zu verhandeln.
5 Vgl. Teil A, V.2.c, S. 167-169.
6 Vgl. Teil A, V.3.e, S. 182-186.
7 Reinhold Haggenmüller hält das für die Überlieferung der Beda-Egbertischen Bußbücher fest
(vgl. HAGGENMÜLLER, Überlieferung, S. 295f).
8 Vgl. Teil A, V.3.b, S. 173-175.