Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0035
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
20

Standortbestimmungen

den, sondern als weitere Quellen auch Briefe und Urkunden. Hierdurch werden die an-
sonsten nur sehr vage überlieferten Vorverhandlungen weitaus besser greifbar und es
eröffnen sich gelegentlich sogar Einblicke in die Sichtweise des Königs und der Kur-
fürsten als der zentralen Ritualakteure. Im Hinblick auf die Überlieferung ist für das
Spätmittelalter eine zunehmende Dichte und Ausführlichkeit zu konstatieren, so dass
zum Beispiel für die Rekonstruktion des Ablaufs der Wahl den Wahlanzeigen der Kur-
fürsten bald die Berichte der Stadt Frankfurt zur Seite treten. Zwar dürfte die Quellen-
lage für das römisch-deutsche Reich im europäischen Vergleich auch im 13. und
14. Jahrhundert eher schlecht abschneiden/" doch lässt sich für das 15. Jahrhundert eine
starke Zunahme erkennen: Bereits für die Krönung Friedrichs III. 1442 und mehr noch
für die seines Sohnes Maximilians 1.1486 kann von einer wahren Flut an Berichten ge-
sprochen werden.
Immer besser wird so durch die narrativ-deskriptiven Quellen erkennbar, inwie-
fern die normativen Bestimmungen der Krönungsordines befolgt und angewandt wur-
den. Gleichzeitig ist festzustellen, dass die Kenntnis der Norm in nicht unerheblichem
Maße die Darstellung der Berichterstatter prägen konnte, und zwar auch kontrafak-
tisch. Die Unterscheidung zwischen Präskript und Praxis, zwischen Ordo und erzähl-
ter Wirklichkeit wird gelegentlich brüchig, wenn zum Beispiel ein Frühdruck zur Krö-
nung Maximilians für die Schilderung der Ereignisse weitgehend auf den
Krönungsordo rekurriert. ' Dasselbe gilt für eine Beschreibung der Krönung Wilhelms
von Holland 1248, die auf einen fiktiven Krönungsordo zurückgeht: Über mehrere Ge-
nerationen weitergereicht, wirkt sie stellenweise bis in die moderne Forschung nach
und konnte zum Beispiel auch die zeitgenössische Darstellung der Krönung Karls V.
1520 wesentlich beeinflussen.^ Einen ähnlichen Weg ging eine literarisch-fiktive Auf-
zeichnung über eine Krönung in Mailand, die sich in der Chronica Danielis comitibus
Angleriae findet: Ihr Ordo wurde mehrfach abgeschrieben und fand auch in den Fiber
Notarum des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard Aufnahme.'^ Zu er-
wähnen ist in diesem Zusammenhang schließlich der Ordo von Burgund, der zwischen
dem 9. und dem 11. Jahrhundert entstand.^ Wohl nie oder nur sehr selten für eine bur-
gundische Krönung herangezogen, gelangte er als allgemeiner Ordo für die Königskrö-
nung in das Pontifikale des Guillelmus Duranti. Möglicherweise bei der ungarischen
Krönung Albrechts 1438 verwendet,^ fand er außerdem seinen Weg in das Pontificale
Romanum, wo er bis zu seiner Tilgung im Jahr 1962 schlummerte, ohne jemals wieder
in die Praxis umgesetzt worden zu seinÜ' Diese Auswahl an Beispielen macht deutlich,
dass die Grenzen zwischen narrativ-deskriptiven und normativen Quellen durchaus
fließend sein könnenA Für beide Gruppen sind daher weitergehende methodische
Überlegungen notwendig, bevor zu einer Interpretation geschritten werden kann.

90 Vgl. für England bezüglich der Rolls Series z. B. SCHRAMM, Ordines-Studien III, S. 338f.
91 Siehe unten, Kapitel 5.15.3.
92 Siehe unten, Kapitel 5.1.4.
93 Vgl. ELZE, Ordines für die Königskrönung in Mailand, S. 182.
94 Siehe hierzu unten, Kapitel 4.2.
95 Vgl. BAK, Königtum und Stände in Ungarn, S. 167f.
96 Vgl. ELZE, Königskrönung und Ritterweihe, S. 328 mit Anm. 8.
97 Vgl. auch die Ausführungen von ScHiMMELPFENNtG, Historische Einführung, besonders S. 31f.,
über eine Handschrift zur italienischen Krönung Karls V. 1530.
 
Annotationen