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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Scholz, Sebastian,: Das Papsttum, Roms wirtschaftliche Lage und die Enteignung der päpstlichen Patrimonien in der Mitte des 8. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0024
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Das Papsttum, Roms wirtschaftliche Lage und. die Enteignung der päpstlichen Patrimonien 23

These von Neil Christie, die Gründungen der domuscultae seien vor allem als Ver-
suche der Päpste zu werten, eine größere Kontrolle über das Land rings um Rom
zu gewinnen, die Position des dortigen Adels zu schwächen und die päpstliche
Autorität zu stärken67, scheint mir haltlos. Denn Christie führt für seine These
ebenfalls erst Belege aus dem frühen 9. Jahrhundert an, als es zur Plünderung der
von Leo III. angelegten Landgüter durch erboste Römer kam, die sich darüber be-
schwerten, dass ihnen das Land entrissen worden sei68. Und ob man aus der Versi-
cherung des Liber pontificalis in den Viten des Zacharias und Hadrians, die Erwer-
bung des Landes für die Anlage der domuscultae sei rechtmäßig und ohne Zwang
erfolgt69, gleich das Gegenteil schließen muss, scheint mir ebenfalls zweifelhaft.
Man muss bedenken, dass die Konflikte mit den Langobarden die Päpste schon
genug belastet haben. Sie hatten zu dieser Zeit wohl kaum großes Interesse daran,
sich in der unmittelbaren Umgebung Roms zusätzliche Feinde zu schaffen, die
dann möglicherweise mit den Langobarden gemeinsame Sache machten. Für die
Päpste war es vor allem wichtig, die Nahrungsmittelversorgung zu sichern, um
die Armen und auch den Klerus versorgen zu können. Dies gehörte zu den tradi-
tionellen päpstlichen Aufgaben und war Ausdruck der guten Amtsführung70. Wel-
che Katastrophe in diesem Zusammenhang die Verwüstungszüge der Langobar-
den bedeuteten, macht ein Brief Papst Stephans II. an Pippin vom 24. Februar 756
deutlich. In diesem Brief beklagt Stephan die Verwüstungen durch die Langobar-
den, die zu dieser Zeit Rom belagerten. Sie hätten in unmittelbarer Umgebung der
Stadt nicht nur die Landgüter und Häuser, sondern auch die Kirchen zerstört, die
Priester geschlagen und die Nonnen geschändet. „Und alle domuscultae des heili-
gen Petrus/' so fährt Stephan fort, „haben sie mit Feuer verheert und die außerhalb
der Stadt gelegenen Häuser aller Römer haben sie, wie gesagt, zerstört, das Vieh
weggetrieben, die Weinstöcke fast bis zur Wurzel abgeschnitten und die niederge-
trampelte Ernte vernichtet"71.
Angesichts solcher Erfahrungen, welche die Päpste auch schon früher ma-
chen mussten, und dem endgültigen Verlust der Patrimonien in Sizilien und Süd-

an dieser Stelle überhaupt auf die domuscultae beziehen kann. Grammatisch und sprachlich
gibt es keinen Zusammenhang.
67 Neil Christie, Popes, Pilgrims and Paesants. The Rôle of the domusculta Capracorum, in:
Akten des XII. internationalen Kongresses für christliche Archäologie. Bonn, 22.-28. September
1991 (Jahrbuch für Antike und Christentum, Ergänzungsband 20.2), Münster 1995, S. 650-657,
hier S. 650f.
68 Annales regni Francorum zu 815, hg. von Friedrich Kurze, MGH Scriptores rerum Germani-
carum [6], Hannover 1895, S. 143.
69 Liber pontificalis 1 (wie Anni. 21), S. 434 und S. 501.
70 Eine allgemeine cura annonae scheint es zu dieser Zeit nicht mehr gegeben zu haben, vgl. Rai-
mund Hermes, Die stadtrömischen Diakonien, in: Römische Quartalschrift für christliche Al-
tertumskunde und Kirchengeschichte 91,1996, S. 1-120, hier S. 21f. und S. 31 mit weiterer Lite-
ratur; anders Hartmann, Hadrian I. (wie Anm. 7), S. 44.
71 Codex Carolinus Nr. 8 (wie Anm. 20), S. 495, Zitat ab Z. 23: Et omnes domos cultas beati pétri igni
conbusserunt vel omnium Romanorum, ut dictum est, domos conburentes etra urbem funditus destru-
xerunt et omnia peculia abstulerunt et vineas fere ad radices absciderunt et messes conterentes omnino
devoraverunt.
 
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