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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI article:
Laudage, Johannes: Die papstgeschichtliche Wende
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0052

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JOHANNES LAUDAGE (t)

Die papstgeschichtliche Wende*

Das Anliegen dieses Beitrags ist begrenzt, aber nicht unambitioniert. Es geht
darum, den heuristischen Wert eines neuen Forschungsbegriffs auszuloten, denn
Rudolf Schieffer, der Schöpfer dieses Begriffs, hat sich vor allem auf den Ausgangs-
punkt der „papstgeschichtlichen Wende" konzentriert. Seine anregende These
lautet, „daß das sogenannte Reformpapsttum der zweiten Hälfte des 11. Jahrhun-
derts in zuvor ungekannter Weise die lateinische Gesamtkirche aus eigenem An-
trieb zu lenken begann, und zwar weniger nach neuartigen theologischen Kon-
zepten als dank praktischer Erfahrungen"* 1. Damit ist ein wichtiger Aspekt ange-
sprochen, aber sicher nicht zum ersten Mal. Schon Albert Hauck hat nämlich vor
hundert Jahren über Leo IX. (t 1054) geschrieben: „... er zuerst hat die christliche
Welt daran gewöhnt, daß der Papst regiert"2, doch „Leo begann nicht nur, die Kir-
che zu regieren, sondern er traf auch Maßregeln, um diese Regierung dauernd
möglich zu machen. Die Schwäche der Stellung Roms in der Kirche hatte bisher
zum Teil darauf beruht, daß der Verkehr mit dem Papste zufällig war; das sollte
aufhören: er sollte regelmäßig werden"3.
Diese Wertungen sind inzwischen längst Gemeingut der Forschung gewor-
den. Schlägt man etwa den Handbuchbeitrag von Gerd Tellenbach aus dem Jahre
1988 auf, so liest man die Worte: „Nur ausnahmsweise fiel den Päpsten vor der
Mitte des 11. Jahrhunderts eine historisch bedeutende überregionale Rolle zu. Da-
bei wurden sie aktiv meist nur, wenn sie angerufen wurden, nicht aus eigener Ini-
tiative. ... Erst seit Heinrich III., Leo IX. und Viktor II. versuchen die Päpste und
ihre Helfer zunehmend entschlossen und wirkungsvoll, die westliche Kirche wirklich
zu leiten"4.

* Diesem Aufsatz liegt ein Vortrag zugrunde, den Herr Prof. Dr. Johannes Laudage am 23. Januar
2008 in Düsseldorf gehalten hat und den er auf der von ihm vorbereiteten Tagung „Funktions-
weisen päpstlicher Herrschaft im Mittelalter" im April 2008 zur Diskussion stellen wollte. Für
die Schriftform hat Matthias Schrör, Düsseldorf, Belege und Fußnoten nachgetragen. Die
sprachliche Form des Haupttextes wurde - soweit möglich - beibehalten.
1 Rudolf Schieffer, Motii proprio. Über die papstgeschichtliche Wende im 11. Jahrhundert, in:
Historisches Jahrbuch 122,2002, S. 27-41, hier S. 28.
2 Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands 3, Leipzig 3/41906, S. 602.
3 Hauck, Kirchengeschichte (wie Anm. 2), S. 608.
4 Gerd Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (Die Kirche
in ihrer Geschichte. Ein Handbuch, Bd. 2, Lieferung F 1), Göttingen 1988, S. 237.
 
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