GERHARD LUBICH
Frauen in den Briefen der frühen Päpste
Bild und Funktion der Frau nach der päpstlichen Epistolographie
zwischen Gregor I. und Gregor VII.
Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen ist eine einfache Beobachtung: Im
Verlauf eines halben Jahrtausends, genauer: zwischen den Pontifikaten Gregors
des Großen und Gregors VII., erscheinen je länger desto weniger Frauen in der
päpstlichen Korrespondenz. Dieser Sachverhalt gilt sowohl hinsichtlich der ab-
soluten Zahlen wie auch prozentual, und unabhängig davon, ob die erwähnten
Frauen Adressatinnen eines Anschreibens waren oder nur gegenüber anderen er-
wähnt wurden. Diese zunächst quantitative Auffälligkeit legt den Verdacht nahe,
dass sich in diesem Zeitraum auch qualitativ etwas geändert haben könnte, das als
Ursache dieser Entwicklung betrachtet werden kann. Ansatzweise soll im
Folgenden untersucht werden, ob und inwiefern eine sich möglicherweise än-
dernde päpstliche Vorstellung von weiblichen Rollen hinter diesem Befund ange-
nommen werden kann, oder aber ob weniger ein „Frauenbild" denn konkrete
Konstellationen, Situationen und Notwendigkeiten die Erwähnung von Frauen in
Quantität wie Qualität beeinflussten. Hierzu sollen die Arten des Kontaktes funk-
tional bestimmt und qualifiziert werden, um von dort aus mögliche Wandlungen
in den Blick zu nehmen.
Anders ausgedrückt: Im Folgenden wird es darum gehen, Typen von Zuge-
hensweisen des Papsttums auf Frauen herauszuarbeiten und dabei zu fragen,
ob und gegebenenfalls inwiefern eine Rollenvorstellung das Korrespondenz-
verhalten beeinflusste, oder aber ob die Art des Auftretens gegenüber Frauen vor-
rangig durch konkrete Situationen und päpstliche Interessenlagen bedingt wurde.
In der historischen Situation ließen sich diese beiden hier aus analytischen Zwek-
ken getrennt dargestellten Perspektiven natürlich nicht auseinanderhalten: Selbst-
verständlich ging der jeweilige Papst von einem bestimmten Frauenbild aus, hatte
seine Rollenvorstellungen, schöpfte aus einem bestimmten, Frauen vorbehaltenen
Formulierungsreservoir und dergleichen mehr, wobei aber die Umstände diktier-
ten, was man wie äußerte. Die Gewichtung der beiden Elemente „Frauenbild" und
„Interessenlage" jedoch soll es ermöglichen, eine hypothetische Entwicklungs-
linie zu ziehen. Angestrebt ist somit eine Art Raster, das nach mehreren Seiten hin
Auskünfte verspricht. Zum einen soll deutlich werden, aufgrund welcher Funktio-
Frauen in den Briefen der frühen Päpste
Bild und Funktion der Frau nach der päpstlichen Epistolographie
zwischen Gregor I. und Gregor VII.
Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen ist eine einfache Beobachtung: Im
Verlauf eines halben Jahrtausends, genauer: zwischen den Pontifikaten Gregors
des Großen und Gregors VII., erscheinen je länger desto weniger Frauen in der
päpstlichen Korrespondenz. Dieser Sachverhalt gilt sowohl hinsichtlich der ab-
soluten Zahlen wie auch prozentual, und unabhängig davon, ob die erwähnten
Frauen Adressatinnen eines Anschreibens waren oder nur gegenüber anderen er-
wähnt wurden. Diese zunächst quantitative Auffälligkeit legt den Verdacht nahe,
dass sich in diesem Zeitraum auch qualitativ etwas geändert haben könnte, das als
Ursache dieser Entwicklung betrachtet werden kann. Ansatzweise soll im
Folgenden untersucht werden, ob und inwiefern eine sich möglicherweise än-
dernde päpstliche Vorstellung von weiblichen Rollen hinter diesem Befund ange-
nommen werden kann, oder aber ob weniger ein „Frauenbild" denn konkrete
Konstellationen, Situationen und Notwendigkeiten die Erwähnung von Frauen in
Quantität wie Qualität beeinflussten. Hierzu sollen die Arten des Kontaktes funk-
tional bestimmt und qualifiziert werden, um von dort aus mögliche Wandlungen
in den Blick zu nehmen.
Anders ausgedrückt: Im Folgenden wird es darum gehen, Typen von Zuge-
hensweisen des Papsttums auf Frauen herauszuarbeiten und dabei zu fragen,
ob und gegebenenfalls inwiefern eine Rollenvorstellung das Korrespondenz-
verhalten beeinflusste, oder aber ob die Art des Auftretens gegenüber Frauen vor-
rangig durch konkrete Situationen und päpstliche Interessenlagen bedingt wurde.
In der historischen Situation ließen sich diese beiden hier aus analytischen Zwek-
ken getrennt dargestellten Perspektiven natürlich nicht auseinanderhalten: Selbst-
verständlich ging der jeweilige Papst von einem bestimmten Frauenbild aus, hatte
seine Rollenvorstellungen, schöpfte aus einem bestimmten, Frauen vorbehaltenen
Formulierungsreservoir und dergleichen mehr, wobei aber die Umstände diktier-
ten, was man wie äußerte. Die Gewichtung der beiden Elemente „Frauenbild" und
„Interessenlage" jedoch soll es ermöglichen, eine hypothetische Entwicklungs-
linie zu ziehen. Angestrebt ist somit eine Art Raster, das nach mehreren Seiten hin
Auskünfte verspricht. Zum einen soll deutlich werden, aufgrund welcher Funktio-