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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Schieffer, Rudolf: Papsttum und neue Königreiche im 11./12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0072

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Papsttum und neue Königreiche im 11./12. Jahrhundert

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der Normannenführer ab, ihre Eroberungen von ihm, dem Papst, ausdrücklich zu
Lehen zu nehmen6, und zog die kriegerische Konfrontation vor, bei der er unterlag.
Sechs Jahre später, als Heinrich III. gestorben und das Reformpapsttum abermals
in prekärer Lage war, fand sich Nikolaus II., beraten von Hildebrand, dem späteren
Gregor VII., dazu bereit, nach Melfi zu ziehen und dort Robert Guiscard und
Richard von Capua durch förmliche Belehnung in ihrer faktisch längst errunge-
nen Herrschaft anzuerkennen, wofür diese versprachen, die Lreiheit der römi-
schen Kirche zu sichern und der päpstlichen Reform freien Lauf zu lassen7. So ent-
stand nicht durch missionarische Expansion, sondern infolge eines gravierenden
politischen Umbruchs im damaligen Grenzraum zwischen griechischer und latei-
nischer Kirche erstmals eine päpstlich approbierte weltliche Macht, die sich den
römischen Bischöfen als Bündnispartner geradezu aufgedrängt hatte, sich im Ver-
lauf der folgenden Jahrzehnte nur als bedingt verlässlich erwies und doch für das
Überleben des gregorianischen Papsttums unentbehrlich wurde8. Erst im Zuge ei-
nes langen, von schweren Erschütterungen begleiteten Gärungsprozesses und
nach der Eroberung auch noch der Insel Sizilien wurde aus den normannischen
Herrschaften ein einziges Staatsgebilde, bei dessen Rangerhöhung zum König-
reich wiederum das Papsttum eher notgedrungen Pate stand: Als Anaklet II. im
1130 ausgebrochenen Schisma politischen Beistand gegen seinen Rivalen Inno-
cenz II. suchte, fand er ihn bei Roger II., dem Herzog von Apulien, Kalabrien und
Sizilien, der als Preis seine Erhebung zum König verlangte. Am 27. September 1130
stellte Anaklet die Urkunde aus, in der Roger, dem Vasallen der römischen Kirche,
die Krone des Königreichs Sizilien zuerkannt wurde, verbunden mit dem Recht,
frei den Erzbischof zu bestimmen, der die Salbung und Krönung vornehmen wür-
de, und ebenso dereinst frei unter seinen Söhnen den Nachfolger auszuwählen9.

6 Hermann von Reichenau, Chronicon ad a. 1053: Cumque illi pacem petentes subiectionem serviti-
umque ipsi promitterent, et quaeque prius iniuste sibi usurpantes invaserant, eius beneficio gratiaque
retinere velle se dicerent (MGH SS 5 S. 132); vgl. Jordan, Eindringen (wie Anni. 3), S. 70; Josef
Deér, Papsttum und Normannen. Untersuchungen zu ihren lehnsrechtlichen und kirchenpoli-
tischen Beziehungen (Studien und Quellen zur Welt Kaiser Friedrichs II. 1), Köln/Wien 1972,
S. 99f.
7 Der Lehnseid Roberts in: Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit, III cc. 284, 285, hg.
von Victor Wolf von Glanvell, Paderborn 1905, S. 393f.; vgl. Jordan, Eindringen (wie
Anm. 3), S. 71f.; Deér, Papsttum (wie Anm. 6), S. 102f.; Dieter Hägermann, Das Papsttum
am Vorabend des Investiturstreits. Stephan IX. (1057-1058), Benedikt X. (1058) und Nikolaus II.
(1058-1061) (Päpste und Papsttum 36), Stuttgart 2008, S. 156-164.
8 Vgl. Hubert Houben, Die Normannen und das Papsttum, in: Vom Umbruch zur Erneuerung?
Das 11. und beginnende 12. Jahrhundert - Positionen der Forschung, hg. von Jörg Jarnut/
Matthias Wemhoff (MittelalterStudien 13), München 2006, S. 47-53.
9 JL 8411, hg. von Hartmut Hoffmann, Langobarden, Normannen, Päpste. Zum Legitimati-
onsproblem in Unteritalien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bi-
bliotheken 58,1978, S. 137-180, hier S. 173-176; vgl. Deér, Papsttum (wie Anm. 6), S. 203-217;
Hubert Houben, Roger II. von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident, Darmstadt
1997, S. 54f.
 
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