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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Gresser, Georg,: Zur Funktion der päpstlichen Synode in der Zeit der Kirchenreform
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0096

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Zur Funktion der päpstlichen Synode in der Zeit der Kirchenreform

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sehen. Dieser Spielraum wurde durch die dem Mittelalter eigene Sicht, stets aus-
führendes Werkzeug Gottes zu sein, sicher noch stärker eingeschränkt, als dies
beispielsweise heute der Fall zu sein scheint (mit allen negativen Implikationen).
Aber in der hier behandelten Epoche im Umfeld der römischen Kirche gewinnt
man den Eindruck, als ob diese Handlungsspielräume durch das Reformpapsttum
deutlicher eingeschränkt worden seien, als dies in anderen Epochen der Kirchen-
geschichte sichtbar wird. Der einzelne Bischof hatte am Ende der Entwicklung, die
man mit dem ersten Lateranense in einer Art Vorform, mit dem vierten Latera-
nense als beendet ansehen darf, nur mehr wenig Möglichkeiten, seine eigenen
Ideen einzubringen.
Abschließend muss eines noch besonders betont werden, das zum Verständ-
nis des Reformpapsttums hilfreich ist und sein volles Gewicht unter Gregor VII.
zeigt, nämlich die zumindest für das subjektive Bewusstsein der Reformer unbe-
dingte Verpflichtung seitens der Tradition, die sich nicht nur in der Regelmäßig-
keit der Synoden, in der Geltendmachung alten oder vermeintlich alten Rechts in
den Kanones der Synoden und in der verschärften und häufigeren Anwendung
dieses Rechts im Prozess niederschlägt, sondern vor allem bei Gregor ebenso in
der Anlehnung an die ganz wörtlich genommene Bibel oder die Aussagen der Vä-
ter. Aus dieser Tradition schöpften die Reformer ihre Kraft, in ihr hatten sie ihre
Grundlage, an ihr orientierten sie sich in ihrem Denken, und die unbedingte Gel-
tung der Tradition gab ihnen ihren Elan und ihre durchschlagende Wirkung38.
Aufgrund ihrer Überzeugung vom Primat des römischen Bischofs galt ihnen alles,
was je von den römischen Bischöfen getan oder geschrieben wurde, alles, was
diese je akzeptiert oder verworfen hatten, als die einzig rechtmäßige Tradition. Ihr
gegenüber hatte alles Andere, und wäre es noch so alt, tief eingewurzelt oder auf
Synoden ohne päpstliche Autorität beschlossen worden, nur den Rang einer nicht
autorisierten Gewohnheit.

38 Dies gegen Johrendt/Müller, Zentrum (wie Anm. 31), S. 8, die mit Rekurs auf die Diploma-
tik zu kurz greifen, wenn sie konstatieren, dass „kaum gefragt wurde bisher, woher Rom die
Interpretationen bezog, mit denen es sein neues Amtsverständnis auskleidete". Die im gesam-
ten Beitrag zu spürende besondere Betonung der Bedeutung des (Kirchen-)Rechtes und seiner
Entwicklung verstellt geradezu den Blick. Dadurch kommt es zu einer Fehleinschätzung wie
der folgenden (ebd. S. 9): „Das Bild einer von Rom gelenkten Zentralisierung weist also eine
gewisse Fehlsichtigkeit auf." Hier sollte man sich die Frage stellen, ob es auch fürderhin sinn-
voll und im Sinne des Projektes „Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden" (so der
Name des Gesamtprojektes, in dessen Zuge die Publikation vorgestellt wurde) zielführend ist,
kirchen- und dogmengeschichtliche Ergebnisse und Forschungen auszublenden.
 
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